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: Von Polen lernen

Von New York lernen heißt siegen lernen – getreu diesem Motto haben sich deutsche Dorffunktionäre in den letzten Wochen davon inspirieren lassen, wie die Aufseher im Garten Eden der Law-and-order-Gläubigen mit gemeingefährlichen Bestien umspringen. Doch warum über den großen Teich schielen, wenn man doch nur über die nicht so große Oder schauen muß? Schließlich geht auch die Polizei in den polnischen Kriminalitätsmetropolen Biala Podlaska, Koszalin, Radom und Tarnobrzeg sehr amerikanisch zur Sache.

Zwischen 8 und 14 Uhr kontrollieren die Cops alle Jugendlichen, die in der Öffentlichkeit anzutreffen sind, weil es sich dabei nur um Schulschwänzer handeln kann. Nachdem sie diese Kriminellen der zuständigen Schule gemeldet haben, legen sich die Bullen aufs Ohr, um dann ab 23 Uhr dafür zu sorgen, daß die Ausgangssperre für Minderjährige eingehalten wird. Teenager, die in der Zeit ohne Begleitung Erwachsener polnische Luft schnappen, werden auf der Wache registriert und gegebenenfalls dem Jugendamt gemeldet.

Das alles ist möglich, weil es noch ein Gesetz aus Kriegsrechtszeiten gibt, das vorsichtshalber niemand abgeschafft hat. Praktisch auch, daß beim Übergang vom Sozialismus zur Freiheit die Einführung eines Datenschutzgesetzes für nicht so wichtig erachtet wurde. Die Kritiker versucht ein Polizeisprecher der 250.000-Einwohner-Stadt Radom zu beruhigen: Seit Anfang Oktober seien dort nur 21 Jugendliche kontrolliert worden, „von denen 14 in der Ausnüchterungszelle gelandet sind“. Kann nur heißen, daß die Bullen zu doof sind oder die Jungs und Mädels sehr undiszipliniert schwänzen.

Auf jeden Fall möchte man gern noch mal Schüler sein, wenn man es denn in Polen sein dürfte. Mit seinen Schulkameraden zu wetteifern, wer es am längsten schafft, der Penne fernzubleiben, ohne aufgegriffen zu werden – das ist doch eine Herausforderung! Kleiner Tip nach drüben: In Buchhandlungen, Kirchen und Krankenhauskantinen sucht bestimmt niemand! René Martens