Analyse
: Rebellion der Prinzen

■ Trotz Druck aus dem Likud könnte Premier Netanjahu am Ende gewinnen

Dramatische Änderungen in der politischen Szene Israels kündigte Ronni Milo, Bürgermeister von Tel Aviv, zu Wochenbeginn an. Und setzte sich gleich selbst an die Spitze des Aufstandes gegen Ministerpräsident Netanjahu. Sein Plan: Die Likud-Fraktion in der Knesset spalten, Parteinamen und -gelder übernehmen und damit verhindern, daß Netanjahu noch einmal als Likud-Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten kandidieren kann. Ziel ist nicht ein schneller Putsch oder der direkte Sturz der Regierung. Ziel ist vielmehr, Netanjahu und seine Komparsen aus der Likud-Partei hinauszudrängen. 12 Abgeordnete müßte Milo für seinen Coup gewinnen.

Wenn Netanjahu heute nach Israel zurückkehrt, erwartet ihn die vielleicht schwerste Krise seit seinem Amtsantritt vor 18 Monaten. Netanjahu hat Israel in die internationale Isolation geführt und eine schwere Verstimmung in den Beziehungen zu den USA heraufbeschworen. Erstmals in der Geschichte wurde ein israelischer Ministerpräsident bei einem Aufenthalt in den USA nicht vom US-Präsidenten empfangen.

Netanjahus persönliche Glaubwürdigkeit ist auf den absoluten Nullpunkt gesunken, sowohl in der internationalen Diplomatie als auch unter seinen Kabinettskollegen. Aber weniger seine Politik, als vielmehr die putschartige Übernahme der Kontrolle über die Aufstellung der Parlamentskandidaten auf dem Likud-Parteitag in der vergangenen Woche hat die „Prinzen“ im Likud zur Rebellion veranlaßt. Es ist nicht Netanjahus Blockade des Friedensprozesses, sondern seine „totale Machtübernahme“ im Likud, die Abgeordnete und Minister um ihre politische Karriere bangen läßt.

Netanjahu hat indes gute Chancen, auch diese offene Rebellion zu überstehen. Zum einen sind die „Prinzen“ untereinander Konkurrenten um den Führungsposten. Zum anderen dürfte die frühe Veröffentlichung der Rebellion dem gesamten Projekt schaden. Noch hat Milo seine 12 Abgeordneten jedenfalls nicht beisammen. Schwerer aber wiegt, daß die „Rebellen“ dem Friedensprozeß noch ablehnender gegenüberstehen als Netanjahu selbst. Die Krise in den auswärtigen Beziehungen könnte Netanjahu deshalb helfen, die Rebellion zu unterdrücken.

Der Frontalangriff auf seine Widersacher wird gespickt sein mit nationalistischen Parolen. Er wird sich als Mann darstellen, der allen Paroli geboten und selbst dem Druck der USA widerstanden hat. Kein Ende des Siedlungsbaus, kein Teilrückzug, kein Land gegen Frieden. Wer dann abspringt und einem Mißtrauensantrag der Arbeitspartei zustimmt, wird ewig das Stigma des „Verräters“ tragen. Das ist nirgends karrierefördernd. Die Chancen auf eine Wiederbelebung des Friedensprozesses aber sinken weiter. Georg Baltissen