Vorwärts in die 70er!

■ RAF: Die Bundesanwaltschaft will 26 Jahre Haft für Christian Klar

Die Abwicklung der RAF ist in vollem Gange. Die historische Aufarbeitung hat begonnen. Die radikale Linke in diesem Land ist praktisch nicht mehr existent. Keiner der verbliebenen elf Inhaftierten denkt auch nur im Traum daran, nach seiner Entlassung noch einmal die Waffe gegen diesen Staat zu erheben. Kay Nehm, der Generalbundesanwalt, würde dieser Beschreibung nicht widersprechen. Trotzdem fordert er 26 Jahre für Christian Klar.

Bravo, ruft der Zyniker, wenn es noch eine kleine Chance zur Reanimation der RAF gibt, dann ist es diese. Die Wiedereinführung der – faktisch abgeschafften – lebenslangen Freiheitsstrafe durch die Hintertür: Daran könnte sich noch einmal jener längst verblichene moralische Rigorismus entzünden, der die RAF früher zu ihren Bluttaten trieb. Der Vorwurf der „Vernichtungshaft“ wird nicht auf sich warten lassen. Und wie soll man ihm widersprechen? Klar sitzt seit 1982, isoliert von seinen Genossen, bis 2008 soll das so weitergehen.

Was treibt die obersten Ankläger der Republik zu diesem Amoklauf, warum vergessen sie alle Rücksichten auf höhere Interessen – und sei es nur das des Rechtsfriedens? Rache für den Mord an Buback, einen der Vorgänger Nehms, oder für den einst fehlgeschlagenen Raketenwerfer- Anschlag auf die Büros in der Karlsruher Herrenstraße? Wollen sie Klar demütigen, ihn auf den Gnadenweg zwingen? Der Kotau vor dem Bundespräsidenten als letzte Chance, den Knast vor dem Rentenalter wieder zu verlassen?

Natürlich nichts von alledem. Nüchtern wird Nehm mitteilen, niemand sonst habe mehr Menschen auf dem Gewissen als Klar. Er wird sie aufzählen, von Gerechtigkeit sprechen, von Sühne und Gleichbehandlung. Doch dieser hehre Anspruch ist nicht mehr einzulösen, spätestens seit Kronzeugen, die Menschen töteten, sich „lebenslänglich“ ersparen können.

Letztlich soll Christian Klar zusätzlich büßen, weil er den Fahndern öfter und länger entkam als die meisten seiner Genossen. Deshalb blieb er länger im Untergrund, deshalb war er bei mehr Attentaten dabei. Die RAF, erklärte der angebliche „Hardliner“ Klar kürzlich, sei „inzwischen Geschichte“. Eine Einsicht, die man auch der Bundesanwaltschaft wünschen würde – und dem Gericht, das jetzt über die Strafforderung aus Karlsruhe zu entscheiden hat. Gerd Rosenkranz

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