Ägyptens Islamisten: Wir töten weiter

■ Die Gruppe „Avantgarde der islamischen Eroberung“ droht mit neuen Anschlägen auf Urlauber. Beim Anschlag in Luxor war keine Polizei vor Ort. Präsident Mubarak beschimpft seinen Innenminister: „Sie hocken nur in Kairo“

Kairo/Zürich (taz/AFP/AP) – Nach dem bisher schlimmsten Massaker an Touristen in Ägypten haben Islamisten mit weiteren Anschlägen auf Urlauber gedroht. Die Angriffe richteten sich nicht gegen die Ausländer persönlich, erklärte die Organisation „Avantgarde der islamischen Eroberung“ in einem in Kairo aufgetauchten Schreiben. Vielmehr ginge es gegen die „finanzielle Unterstützung des Regimes“.

Zuvor schon war bei Nachrichtenagenturen in Kairo ein weiteres Schreiben eingegangen. Darin bekannte die Gamaa al- Islamia, die Islamische Gruppe, das Massaker begangen zu haben. Zu der Schießerei sei es gekommen, als Mitglieder der Organisation versuchten, eine Gruppe von Touristen zu entführen. Mit ihnen habe man die Freilassung des geistlichen Oberhaupts der Gruppe erpressen wollen. Der blinde Scheich Omar Abderrahman sitzt wegen des Anschlags auf das New Yorker World Trade Center in den USA im Gefängnis.

Die „Avantgarde der islamischen Eroberung“ verlangt in ihrem Drohbrief das Ende der Militärprozesse gegen Islamisten in Ägypten und die Freilassung von 30.000 Gefangenen. Die Angriffe gegen Ausländer würden so lange weitergehen, wie „das ägyptische Regime die Söhne der islamischen Bewegung foltert und tötet“. Die Einnahmen aus dem Tourismus nützten nicht der Bevölkerung, sondern dienten zur Anschaffung von „Folterwerkzeugen“ aus dem Westen.

Bei dem Anschlag waren am Montag 58 Ausländer getötet worden. Auch sechs Angreifer und vier weitere Ägypter kamen ums Leben. Nach Angaben der ägyptischen Behörden sind unter den Toten acht Japaner, fünf Deutsche und vier Briten. Das Auswärtige Amt sprach gestern weiter von vier getöteten Deutschen. Nach Angaben des Südwestfunks sind unter ihnen drei junge Mitarbeiterinnen eines Reisebüros in Freiburg. Bei dem vierten Todesopfer handele es sich um einen Mann aus dem südbadischen Lörrach. Dessen schwerverletzte Tochter habe ebenfalls in einem Reisebüro gearbeitet und zusammen mit ihrem Vater eine Gratisreise nach Ägypten unternommen.

In Kairo erhielt gestern abend Innenminister Hassan al-Alfi sein Entlassungsschreiben. Zuvor war er bei einer Visite am Tatort in Luxor von Präsident Husni Mubarak scharf kritisiert worden. Bei einer Pressekonferenz schnauzte Mubarak den neben ihm stehenden al-Alfi an: „Sie haben versagt. Sie rühren keinen Finger, Sie hocken nur in Kairo.“ Sein Amt wurde dem Chef der Staatssicherheit, Habib Ibrahim el Adli, übertragen. Verbale Prügel verteilte Mubarak auch an die Polizei: „Dies ist ein Touristenzentrum. Es ist doch ein Witz, daß die Polizei zwei Kilometer vom Tatort entfernt war.“ Die Regierung werde innerhalb von 24 Stunden die Lücken im bisherigen Sicherheitskonzept schließen. Allerdings sei ein ähnliches Massaker auch in Europa oder den USA möglich, fügte Mubarak hinzu. Die Hintermänner seien außerhalb Ägyptens zu suchen.

Überlebende des Anschlags berichten, die Attentäter hätten einige ihrer Opfer durch Kopfschüsse regelrecht hingerichtet. Zunächst hätten sie blind in die Menge geschossen, dann aber „ließen sie uns niederknien. Und dann schossen sie“, erzählte eine verletzte Schweizerin im Krankenhaus. Anschließend hätten die Angreifer vor Freude getanzt und gesungen. Das ganze Massaker habe über eine halbe Stunde gedauert. Ägyptische Militärs berichteten, einigen Leichen seien Nasen und Ohren abgeschnitten worden.

In Luxor herrschte gestern Business as usual. In der Tempelanlage tummelten sich bereits wieder Touristen aus aller Welt. Nur einige eilig zugegipste Schußlöcher und ein paar Blutspritzer, die die Reinigungsteams übersehen hatten, erinnerten noch an das Massaker vom Vortag.

Unmittelbar nach dem Anschlag hatten einige Reiseveranstalter ihre Buchungen rückgängig gemacht, weitere Stornierungen trafen gestern ein. Die Tourismusindustrie ist Ägyptens zweitwichtigste Einnahmequelle. Im vergangenen Jahr füllten Urlauber die Staatskasse mit drei Milliarden US-Dollar. Tagesthema Seite 3