Wahnsinn als Währung

■ Die erfolgreichen Kobolde von The Prodigy in der Sporthalle

Wahnsinn kann auch Freude machen, zumindest wenn er klug eingesetzt wird. Im Pop genießt er seit einigen Jahren Hochkonjunktur. Noch nie haben so viele unterschiedliche Bands daran teilgenommen. Jedem sein Pandämonium, sozusagen - das verbindet die Menschen vor und hinter den Kulissen. Korn und das mad darling per se Marylin Manson sind solche Bands. Die kommen vom Rock, der bislang kommunikativsten Massenmusik. Ihr Repertoire erstreckt sich von der satanischen Drohgebärde bis zum epileptisch anmutenden Bühnengebahren und fordert das Recht auf Einsamkeit innerhalb der Masse. Dabei wirken der zerschundene Körper von Marylin Manson oder der geistige Zustand von Korns Jonathan Davis wie Grenzzonen, die die Fans zwingen, sich zwischen Person Popmusiker und Produkt Popmusiker zu entscheiden. Das Entertainment zeigt hier sein schreckliches Gesicht.

Genau dies ist der Punkt, an dem die herkömmlichen Rocker sich mit den Techno-Verwaltern von The Prodigy zusammenraufen können. Wo der Extrem-Rock den Weg vom gespielten Wahn in die Vereinzelung aufzeigt, mahnen die britischen Senkrechtstarter zur Umkehr. Ihr Ziel ist das Gemein-schaftsgefühl durch den meßbaren Erfolg, die beschworene Unity soll beweisbar werden. The Prodigy bedeutet „Wunderkind“und verweist ohne den Hauch von Ironie auf einen guten Ausgang des Ganzen. Die Vortänzer Keith Flint (Foto) und Maxim versprühen bei aller Bösartigkeit den Charme von Kobolden. Sie verwandeln die musikalischen Visionen des Knöpfedrehers Liam Howlett in eine bühnenreife Form von Ekstase, an deren Ende immer ein Lachen und kürzlich gar drei MTV-Awards standen. Wie gesagt, Wahnsinn kann Freude machen.

Oliver Rohlf

mit Junkie XL, Do, 20. November, 19 Uhr, Sporthalle