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Die VorschauSchlampen auf Montage

■ Rosenstolz singen nur deutsche Schlager und schocken dennoch erstarrte Großmütter

Pop für Erwachsene, Lust am Kitsch und irgendwie schwule Subkultur: Vieles ist bereits von bösen Menschen über Rosenstolz gesagt und geschrieben worden. Hartnäckig wird der Schlager-Vorwurf erhoben, als müßte alles Schlager sein, was keine Gitarre hat, aber was wissen diese schlichten Gemüter, die sich ereifern, wenn das Königspaar des dreckigen Chansons auch in diese Stadt kommt. Man sollte, wie für Whacko Jacko, den Teppich ausrollen und das Rathaus mieten, wäre nicht zu befürchten, daß AnNa R. in lüsternem Leder dem Bürgermeister das Knie zwischen die Beine schiebt und Peter Plate erstarrten Großmüttern von den Problemen eines Schwulen mit Psycho-Pharmaka berichtet. Lange Jahre traten Rosenstolz in Läden wie der „Schwule Sau“-Bar auf dem besetzten Sprengel-Gelände in Hannover auf. Inzwischen verkaufen sie mehr Platten als Udo Lindenberg, und bei Polydor kann es sich niemand erklären.

Die Band sagt, „well, wir machen Pop Art, das ist doch klar, hat noch jemand Zigaretten“. Damit hat es sich mit der Begrifflichkeit. Ihr neues Album „Die Schlampen sind müde“versetzt wieder minimale Beats und Quengelgitarre mit dem großen Pathos der Sinfonie, daß es den apokalyptisch gestimmten Trendreiter die Zornesröte ins Gesicht treibt. AnNa R. muß Greta Garbo nicht länger um Hilfe anflehen, wenn sie auf der Bühne ihren eigenen Kitsch bewältigt. „Das süße Leben kann viel wilder sein“, beklagt sich Deutschlands letzte Trümmer-Diva in einem ihrer Songs und denkt dabei bereits an den nächsten One-Night-Stand. „Lieb mich, wenn du kannst, nimm mich, nimm mich ganz“ist auch der Titel des ersten Buches (dtv, 160 S., 14,90 Mark) von und über Rosenstolz, ein Gedächtnisprotokoll der Anfangsjahre, das die Realitäten des Pop-Business zu sezieren sucht, aber immer wieder stilsicher von der langweiligen Leere in Hotelzimmern, Backstageräumen und Long-Distance-Beziehungen berichtet.

Heute werden sie in einem muffigen Raum unter der Modernes-Bühne sitzen und rauchen wie die Schlote. Rosenstolz werden das anwesende Publikum in gleichem Maße versauen wie verzaubern, und wir unfreien Schwachköpfe stehen dann unten, lassen es im Magen kitzeln und müssen vor sündigen Gedanken andauernd schlucken.

StErn

Heute, Do., Modernes, 20 Uhr

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