Auf Gottes Verteilerliste Von Barbara Häusler

Man lernt bekanntlich nie aus. Diese oft schmerzliche Einsicht kann einen überall treffen. Warum also nicht auch bei Karstadt auf der Rolltreppe? Dort stand ich kürzlich, als hinter mir eine empörte Stimme sagte: „Wo Schaum ist, kann kein Fett sein, und wo Fett ist, kann kein Schaum sein!“ Nein? Erstaunt drehte ich mich um. Da stand eine ältere Dame, sehr adrett, mit Jägerhütchen. Sie sah mich an, und sagte anklagend: „Schaum und Fett! Das geht doch gar nicht!“ Was sollte ich dazu sagen, von diesen Dingen weiß ich doch nichts! Aber da schnaubte sie auch schon verächtlich: „Ponds Kakaobutterschaumbad! Was die einem alles einreden wollen!“ Dann waren wir oben angelangt, sie rauschte an mir vorbei, und ich war erleichtert über die Auflösung und die Tatsache, durch diese Frau endlich begriffen zu haben, daß man Schaumbadherstellern wirklich nicht trauen darf.

Aber auch berufsbedingt lerne ich viel dazu. So erhalte ich beispielsweise seit einiger Zeit maschinenschriftliche Mitteilungen von Gott. Darauf kann ich ziemlich stolz sein, denn außer mir stehen auf Gottes Verteilerliste der Kanzler, der Bundespräsident, die vatikanische sowie zwölf weitere auswärtige Botschaften in Bonn. Gott wohnt jetzt in Bremen und ist mit etwas Glück sonntags dort am Roland anzutreffen. In seinen Schriften räumt er mit einigen kapitalen Mißverständnissen der herkömmlichen Bibelexegese auf. So ist etwa das ewige Leben nach seinen „eigenen Erfahrungen“ keineswegs erstrebenswert, nur „die ersten 1.000 Jahre sind interessant und abwechslungsreich, doch nach mehr als 2.000 Jahren wird es langweilig“. Die Erde wurde demnach „geschaffen, um der Langeweile wegen des ewigen Lebens auszuweichen“, und wir Menschen seien „freiwillig hier oder haben bei einer Lotterie mitgemacht, bei der es vorher viel Geld gab“.

Gott mahnt außerdem mehr Umweltschutz an, weil uns „jede ausgestorbene Art bei den vielen Wiedergeburten irgendwann sehr fehlen“ wird. Er gibt aber auch freimütig zu, sich früher so manches Mal „vertan“ zu haben. Bei der Sündenvergebung etwa, vor allem aber bei „meiner Lehre, Gegnern auch noch die andere Wange hinzuhalten, wenn sie auf die eine Wange geschlagen wurden. So etwas zu tun, halte ich heute für einen kompletten Schwachsinn. Wer so etwas macht, muß damit rechnen, nach Strich und Faden verprügelt zu werden.“ Auch Gott lernt also offenbar dazu, und ich darf jetzt ab sofort zurückhauen.

Letzte Woche rief mich eine Frau an, die mir anvertraute, sie sei ein weiblicher Gral. Als Kind hatte ich mir unter einem Gral – in aller orthographischer Unschuld – ein afrikanisches Negerdorf vorgestellt, seit „Indiana Jones“ ging ich davon aus, es handle sich dabei um eine Art heiligen Becher. Das war wohl etwas voreilig von mir, denn dieser Gral sprach ja nun mal. Bisher, so der Gral, sei sie geheim gewesen. Jetzt dürfe und müsse sie reden, und ich solle sie doch bitte interviewen. Ich muß in meiner Ahnungslosigkeit einen sehr verwirrten Eindruck auf diese Frau gemacht haben, denn sie sah sich zu der tröstenden Versicherung veranlaßt: „Damit Sie mich nicht mißverstehen, ich bin zwar ein Gral, aber nicht wie Adolf Hitler.“

Da war ich ja nun doch froh. Aber ich muß wirklich noch sehr viel dazulernen.