„Eine Taktik der Verunsicherung“

■ Der nigerianische Bürgerrechtler Olisa Agbakogba über die Pläne des Militärherrschers Sani Abacha, die Wahlen von 1998 und die Opposition

Olisa Agbakogba, 43jähriger Rechtsanwalt, ist einer der bekanntesten Bürgerrechtler Nigerias. 1987 bis 1995 leitete er die von ihm mitgegründete Menschenrechtsorganisation „Civil Liberties Organisation“ (CLO), 1995 war er einer der Verteidiger des Ogoni-Bürgerrechtlers Ken Saro-Wiwa. Heute ist er Sprecher des im August gegründeten Bürgerrechtsdachverbandes „United Action for Democracy“ und Präsident des panafrikanischen Menschenrechtsnetzwerks „Afronet“. 1996 erhielt er den Aachener Friedenspreis, den er aber wegen Paßentzugs nicht persönlich entgegennehmen konnte. Jetzt durfte er ins Ausland reisen; die taz sprach mit ihm in Hamburg.

taz: Die Militärjunta hat versprochen, die Macht 1998 an eine zivile Regierung zu übergeben. Dafür wurde ein Übergangsprogramm ins Leben gerufen, das Juntachef Sani Abacha soeben noch mal bestätigt hat. Wie wahrscheinlich ist es, daß Abacha seine Demokratieversprechen einhält?

Olisa Agbakogba: Das Programm ist nicht ehrlich. Als Abacha 1993 die Macht durch einen Palastcoup übernahm, versprach er eine kurze Amtszeit. Nun ist er schon vier Jahre im Amt. Die zweite Lüge ist, daß er auch eine freie Beteiligung aller Nigerianer am Übergangsprozeß versprach. Die Opposition aber ist von dem Prozeß völlig ausgeschlossen. Der Prozeß zur Bildung der fünf legalen politischen Parteien war nicht frei. Die Parteien sind kein Produkt des Bürgerwillens, sondern ein Produkt des Regimes. Eine andere Frage ist: Warum weigert sich Abacha, die soeben ausgearbeitete neue Verfassung zu veröffentlichen? Auf welchen Grundlagen werden die Wahlen abgehalten? Viele meinen – zu Recht – daß der Übergangsprozeß eine Täuschung ist und die geplanten Wahlen am Ende manipuliert werden. Die fünf Parteien haben nicht den Mut, eigene Kandidaten aufzustellen – sie plädieren für Abacha als ihren Kandidaten. Der einzige Parteiführer, der eigene Ambitionen auf die Präsidentschaft öffentlich ausdrückte, Dan Etiebet, wurde festgenommen. Abacha selbst schweigt zu der Frage, ob er sich selber als Kandidat für die Präsidentschaftswahlen aufstellt. Somit löst er einen sehr komplexen Meinungsbildungsprozeß in der Bevölkerung aus. Seine Taktik besteht darin, die Bevölkerung zu verunsichern.

Was hat Abacha 1998 für Möglichkeiten?

Insgesamt bereitet Abacha den Weg vor, durch Vortäuschung von Wahlen an der Macht zu bleiben. 1998 könnte er das Chile-Rezept anwenden, also seine Herrschaft entweder als Präsident oder als Verteidigungsminister mit der Begründung mangelnder innerer Sicherheit fortsetzen. Oder er könnte sich von den fünf Parteien einstimmig als Kandidat aufstellen lassen. Die Situation wird sehr spannend.

Was wird die Opposition tun, wenn Abacha auf diese Weise an der Macht bleibt?

Die Methoden des Widerstands werden anders gestaltet. Ein großer Teil insbesondere der Exilopposition schließt jetzt schon Gewaltanwendung nicht mehr aus.

Ist die Opposition einig genug für solch ein Vorgehen?

Es gab Uneinigkeit in der Opposition, insbesondere bei der Frage des heutigen Stellenwerts der annullierten Wahlen von 1993. Aber wir sind uns darüber einig, daß nur eine gemeinsame Strategie Erfolg bringen kann. Wir haben die „United Action for Democracy“ als Zusammenschluß von Menschenrechtsorganisationen, wir haben die „United Democratic Front of Nigeria“ (UDFN) im Exil. Jetzt sind wir dabei, die Gewerkschaften und die Studentenvereinigungen neu zu organisieren. Da die offizielle Gewerkschaft von der Junta verwaltet wird, müssen wir einen alternativen Gewerkschaftsbund ins Leben rufen. Deswegen haben wir eine Kampagne für freie und unabhängige Gewerkschaften gestartet. Das gleiche gilt für die Studenten und die Frauen. Wenn wir die Wunden in diesen Sektoren heilen können, sind wir bereit für eine Kraftprobe mit dem Regime.

Im neuesten Lagebericht zu Nigeria zieht das Bonner Auswärtige Amt eine positive Bilanz und nennt Sie namentlich als Informationsquelle. Wie kommt das?

Ich finde den Bericht des Auswärtigen Amts zur Lage in Nigeria äußerst geschmacklos. Der Bericht versucht, die Feststellungen internationaler Menschenrechtsorganisationen als reine Lüge darzustellen. Meine Gespräche mit deutschen Botschaftsangehörigen in Lagos wurden genutzt, ohne mich zu informieren. Ich finde dieses Vorgehen täuschend und widerwärtig. Ich werde mich persönlich bei Außenminister Klaus Kinkel beschweren. Der Bericht muß sofort dementiert werden. Interview: Peter Donatus