„Wir können die Islamisten nicht ausgrenzen“

■ Der ägyptische Menschenrechtler Gasser Abdel Raseq über die Folgen des Massakers von Luxor

Gasser Abdel Raseq ist Generalsekretär des Kairoer Zentrums für Menschenrechte.

taz: Was bringt junge Männer dazu, solche brutalen Massaker durchzuführen?

Gasser Abdel Raseq: Sie glauben, daß diese ungläubige Gesellschaft mit allen Mitteln angegriffen werden muß. Die ungläubige Regierung muß gestürzt werden. Sie befinden sich im Heiligen Krieg und glauben, sie kommen ins Paradies, wenn sie getötet werden. Die Regierung beschreibt sie immer als Kriminelle oder Terroristen, ist aber nicht dazu bereit, sich mit deren Ideologie auseinanderzusetzen. Manche Vertreter in den staatlichen Institutionen verbreiten sogar die gleiche Ideologie.

Präsident Mubarak hat ein neues Sicherheitskonzept angekündigt. Reichen Polizeimaßnahmen aus, um solche Anschläge in Zukunft zu verhindern?

Sie sind natürlich wichtig, aber sie reichen nicht aus. Wir brauchen wirtschaftliche und soziale Projekte, vor allem im verarmten südlichen Oberägypten.

Was kann die Regierung politisch unternehmen?

Politischer Islam existiert seit 70 Jahren. Zeitweise ist er verschwunden, aber immer, wenn er wiederkam, war er stärker als zuvor. Die Geschichte beweist, daß wir eine solche Ideologie nicht ausgrenzen können. Die Regierung hat keine andere Wahl, als den moderaten Teil der Islamisten ins politische System zu integrieren.

Wie könnte ein politisches Gegenprojekt gegen die Islamisten aussehen?

Der Staat muß seinen säkularen Charakter offen verteidigen. Wir sind ein säkularer Staat mit einer islamischen Kultur. Die Verfassung schützt das Recht verschiedener Religionen, ihren Glauben auszuüben, und sie schützt die Meinungsfreiheit.

Mehrere militante Gruppen haben weitere Anschläge angekündigt, solange der Staat ihre Mitglieder in Gefängnissen festhält und foltert. Wie sieht die Situation in ägyptischen Gefängnissen aus?

Zwischen 10.000 bis 35.000 Islamisten sitzen in verschiedenen Gefängnissen. Viele von ihnen werden für mehrere Jahre ohne Prozeß oder konkrete Anklage festgehalten und zum Teil gefoltert. Diese Gefängnisse sind Schmieden für militante Islamisten. Die Menschen, die in den frühen 80er Jahren als junge Männer verhaftet wurden, machten später die Führung der militanten Islamisten aus.

Könnte eine Verbesserung der Menschenrechtslage den militanten Islamisten den Wind aus den Segeln nehmen?

Selbstverständlich. Wenn der Staat die Menschenrechte nicht achtet, werden auch diese Gruppen brutaler.

Sie haben erklärt, was der Staat machen könnte. Was glauben Sie, wird jetzt konkret geschehen?

Präsident Mubarak hat erklärt, daß jeder, der die harten Sicherheitsmaßnahmen verurteilt hat, jetzt weiß, daß er sich geirrt hat. Das bedeutet, der Staat wird wahrscheinlich mit mehr Sicherheitsmaßnahmen, aber auch mit mehr Gewalt vorgehen. Interview: Karim El-Gawhary