Kampf der Kulturen

■ Das Luxemburger Gipfelgezerre ist auch ein Streit der Euro-Sozis

Das, was sich als Erfolg des Luxemburger Beschäftigungsgipfels bilanzieren lassen wird, vermag man schon im Vorfeld zu annoncieren: daß der Job-Konvent überhaupt stattgefunden hat. Der Gipfel signalisiert, daß nicht nur die Stabilität der Finanzmärkte Anliegen der Union ist, sondern auch die „neue soziale Frage“. Passiert nichts Unerwartetes, war's das.

Ansonsten wird der Gipfel die Gelegenheit geben, dem Kampf der europäischen sozialdemokratischen Kulturen beizuwohnen. Denn das Gezerre um Rezepte und Ziele stellte sich im Vorlauf des Gipfel keineswegs so dar, daß hie die Christdemokraten, da die Sozialdemokraten entlang alter politischer Fronten fechten.

Der Bruch geht vielmehr mitten durch die europäische Sozialdemokratie, die in immerhin zehn der 15 EU-Staaten die Regierungsspitze stellt. Etatisten und Anti- Etatisten blockierten sich in der Vorbereitung des Gipfels gegenseitig. Die einen, Tony Blairs New Labour, aber auch die niederländischen Sozialdemokraten wollen die Rahmenbedingungen fürs Unternehmertum verbessern, Arbeit flexibilisieren, Beschäftigung verbilligen – Lohnkostensenkung als Jobprogramm. Die anderen, allen voran die französischen Sozialdemokraten, setzen eher auf Umverteilung der Arbeit durch klassische Rezepte wie Arbeitszeitverkürzung. Makroökonomisch gesprochen wollen die einen die Nachfrage nach Arbeit mittels ihrer Verbilligung erhöhen, die anderen das Angebot an Arbeit durch regulative Verknappung verringern. Man mag letzteres „sozialdemokratischer“ finden als ersteres Konzept – eine innere Logik haben beide.

Durch weitgehende Absenz freilich glänzt die SPD. Die Runde der Euro-Sozis, die ein eigenes Vorbereitungspapier erarbeiten hätten sollen, haben sie so niedrigrangig wie möglich beschickt. Ansonsten sitzen sie in der Kohl-Falle: Wie Kohl bauen sie eher auf nationale als supranationale Maßnahmen. Der von Schröder mitgeschürte Nettozahler-Chauvinismus machte ein Eintreten für Brüsseler Jobprogramme wenig glaubwürdig. Auch für ambitionierte Ziele – etwa, die EU-Arbeitslosenrate auf sieben Prozent zu senken – wollten sie sich nicht ins Zeug legen. „Die deutschen Sozialdemokraten“, sagt ein hochrangiger europäischer Gipfel- Sherpa frustriert, „haben Angst.“ Wovor? Womöglich, daß sie 1998 die Wahlen gewinnen könnten. Robert Misik

Tagesthema Seite 3