Der Terrorismus der Körper

■ Elke Lang spielt Müllers „Quartett“in den Kammerspielen

Ein Theater der Totenbeschwörung war Heiner Müllers Vision. Leider hatte das, was er auf den Bühnen sah, nicht viel damit zu tun. „Inzwischen zählt das Theater der Restauration die Küchenschaben hinter der vierten Wand oder interpretiert das Blumenmuster der Tapeten“, schrieb er an Erich Wonder, „bejubelt von einem verblödeten Publikum und einer vorsätzlich schwachsinnigen Kritik.“Dieses Theater interessierte den Dramatiker nicht. Und wie um zu zeigen, daß auch er damit nichts zu tun haben will, läßt Eduard Erne seine Inszenierung von Heiner Müllers Quartett auf der anderen Seite des Theaters beginnen.

Barbara Ehnes Bühne ist eine Hinterbühne, ein Fundus, vollgestopft mit disparaten Dekorationsstücken. Die Schauspieler treten nicht auf, sondern sind schon da, wenn der Zuschauer Platz nimmt; bevor das erste Wort gesprochen wird, ertönt Applaus vom Band. Die Marquise de Merteuil stülpt sich eine blonde Perücke auf den Schädel und verweist auf den Ort als Rummelplatz der Illusionen: „Und?“fragt sie drängend. „Spielen wir weiter?“

Das Spiel, das die Marquise und Ex-Geliebter Valmont laut Regieanweisung „in einem Salon vor der französischen Revolution/Bunker nach dem Dritten Weltkrieg“spielen, heißt Vernichtung. Wie in Laclos' Briefroman Gefährliche Liebschaften von 1782 verführen die beiden, um zu siegen; mit der Eroberung der frommen Madame de Tourvel verlieren allerdings alle.

Müllers Quartett ist ein präzises Stück über den Terrorismus der Körper. Indem Erne den Schwerpunkt seiner Inszenierung auf das Spiel legt – lange bevor der Rollen- und Geschlechterwechsel auf der Bühne beginnt, werden Masken getragen und Stimmen verstellt –, nimmt er dem Text von seiner Brachialität und entschärft ihn. Müllers gewaltiger, intelligenter Sprachfluß der Verweise, die Skelettierung der Dekadenz und des Verfalls auf allen Ebenen wird zur Komödie. Die Idee mag einem wehtun; Tatsache aber ist, daß der Dramatiker selbst behauptete, in Quartett sei „Charleys Tante drin“.

Woran die Inszenierung dennoch krankt, ist eine Art von Naturalismus, der gerade durch die Betonung des Spielcharakters entsteht; aus dem Schlagabtausch der Utopien wird mitunter ein rechtes Kammerspiel zur erweiterten Diskussion ehelicher Potenzprobleme.

Rüdiger Hacker fehlt es an Schärfe, Valmont als einen dem Zerbrechen geweihten Zyniker darzustellen. Elke Lang hingegen bricht die Figur der Marquise in Facetten und hat große Momente, wenn sie durch ein Absacken der Stimme oder einen Blick in den mentalen Rückspiegel kurzfristig das Ende der Illusionierung beschwört. Christiane Kühl