Unmut der Alten

■ Gesundheitskosten steigen, Renten nicht, es brodelt: „Wir sind bitterböse, wie den Alten in die Taschen gegriffen wird“

„Das ist ja ein dicker Hund“, sagt Otto G., Rentner, zu seiner Frau. Otto G. ist sauer. Gerade hat er wieder eine Rechnung von seiner Krankenkasse bekommen. Zweimal 25 Mark soll er für einen Krankentransport berappen; denn mit der Gesundheitsreform wurden die Sätze für die Eigenbeteiligung erhöht. Auch die Zuzahlungen zu den Medikamenten, die Otto G. seit seiner Bypass-Operation im Sommer braucht, sind nicht ohne. Je nach Packungsgröße muß er nun neun, elf oder 13 Mark selber blechen. Das sind fünf Mark mehr als früher. „Das läppert sich ganz schön zusammen“, so Otto G., und zeigt einen stattlichen Stapel von Zuzahlungsquittungen. Daß die Krankenkasse das zurückzahlt, ist mehr als unwahrscheinlich: Die Rente des ehemaligen Maschinenführers der Zigarettenfabrik Brinkmann ist zu hoch.

„Wir sind bitterböse, wie uns Alten in die Tasche gegriffen wird“, sagt Klaus-Henning Schaadt, Sprecher des Arbeitskreises „Seniorenpolitik“von der Senioren-Vertretung, dem sogenannten „Altenparlament“Bremens. Die Rentenkassen würden ausgeraubt, und das sei eine Frechheit. „Zwei Weltkriege hat das Rentensystem überstanden“, sagt der 71jährige SPDler, „aber diese Regierung übersteht es wohl nicht.“Und die Gesundheitsreform, sie trage dazu bei, daß die Armut unter Alten weiter ansteigt. 32 Prozent der über 65jährigen in Bremer Privathaushalten haben ein Nettoeinkommen unter 1.200 Mark, weiß Schaadt.

Im Vorraum des Sitzungssaals im 15. Stock des Tivoli-Hochhauses am Bahnhof hängen überproportional viele Filzhüte. Gerade streiten sich die Mitglieder des Arbeitskreises des Altenparlaments Bremen. Thema heute: Der Bundespolitik Beine machen. Ein Entwurf liegt vor für eine Resolution, die ziemlich gepfeffert ist. „Wir fordern den Bundestag auf, seine seniorenfeindliche Haltung zu überdenken“, steht da geschrieben. Und: „Wir fordern eine klare Aussage, daß die auf dem Rücken der älteren Generation ausgetragenen Sparmaßnahmen und Gebührenerhöhungen rückgängig gemacht werden.“Die steigenden Gesundheitsausgaben werden beklagt; denn die träfen ältere Menschen besonders stark – weil sie öfter krank sind. „Mein Mann und ich bekommen 2.500 Mark Rente“, meint eine Dame, „jetzt habe ich eine Zahnarztrechnung über 2.300 Mark bekommen“. Und der Antrag auf Zuschuß sei von der Krankenkasse abgelehnt worden.

Aber bei der Diskussion geht es heiß her unter den 25 selbstbewußten Beteiligten. Sitzungsleiter Klaus-Henning Schaadt muß immer wieder mit seiner Engelsglocke zur Ruhe mahnen. Daß vor allem etwas wegen der Gesundheitskosten getan werden soll, darin sind sich alle einig. Doch den einen geht der kämpferische Entwurf der Resolution viel zu weit, die anderen wollen mehr.

„Eine Resolution klingt schön, aber man muß die Leute auffordern, etwas zu tun“, meint ein älterer Herr nach langem Redebeitrag. Und auch für die Dame am Fenster steht fest: „Wir müssen protestieren! Das ist nicht mehr zumutbar!“

Christoph Dowe