■ Vorschlag
: Monitor des Zeitgeschehens: Michael Mantlers „Art Oper“

Eindeutigkeit gibt es hier nicht. Genauso, wie sich Michael Mantlers Nationalitäten verwischen – in Wien geboren, 30 Jahre USA, jetzt in Kopenhagen zu Hause –, verweigert sich auch seine Musik den klaren Zuordnungen. Und trotzdem: Seine „School of Understanding“, „eine Art Oper“, wie es im Untertitel heißt, ist ein musikalisch und inhaltlich ungemein dichtes Werk – und eine Gattung für sich.

Drückt einem der Text unweigerlich einen Kloß in die Kehle ob der in ratloser Verwunderung aufgezählten universellen Greuel unserer Welt, versetzt die Musik den Hörer – und natürlich die Personen des Spiels, die Sänger – an einen jenseitigen, mystischen Ort abseits von Gefahr, an eine Zuflucht des Nachdenkens und der Rekonvaleszenz.

Die Figuren, fünf Schüler in der Schule des Verstehens, ein Lehrer und ein aus dem Hintergrund kommentierender Beobachter (gespielt von Ex-Cream-Bassist Jack Bruce), sind präzise gezeichnete musikalische Charaktere, die ihr Verhältnis zu Armut, Kriegen und Völkermord zu klären versuchen. Diese durch Musik und Raum zu Trägern zukünftiger Verantwortung erhöhten Figuren in eine konventionelle Opernhandlung zu verstricken, hätte Mantler als geistlose Konvention abgelehnt. Statt um Vorgänge geht es um Zustände. Somit hat die Bühne nicht bloß Spielfläche zu sein, sondern ist ein riesiger Monitor, der die künstlerisch ausgefeilten Fotografien des Brasilianers Sebastiao Salgado als Dokumente von menschlichem Elend herbeizitiert und sie mit den anderen Elementen ergänzt. Für das Hebbel Theater hat der Regisseur der dänischen Uraufführung, Rolf Heim, das multimediale Gesamtkunstwerk ganz neu in Szene gesetzt.

Mantler, einst Gründer und Arrangeur des Jazz Composers Orchestra, hat für sein Bühnenwerk eine Musik von abgeklärter Tauer komponiert, gebettet auf federnde Rhythmen. Die Stilsynthese von lebhaft sich wandelnden Minimalmustern und Rockeinschüben hat vom Jazz das wenigste. Mantler kann jedoch keinen Bruch in seiner kompositorischen Entwicklung feststellen, sieht sich vielmehr unabhängig von Stilen. Er ist nicht allein. Neben seinem dänischen Kammerorchester zählen solch prominente Musiker wie eben Jack Bruce und Don Preston in Berlin zu seinen Mitstreitern. Matthias R. Entreß

Hebbel Theater, Stresemannstraße 29, Kreuzberg, 21.–23.11., jeweils 20 Uhr.