Kartenspielen bis zur Erschöpfung

■ Altherren-Symbiose in einem kleinen eingeschneiten Häuschen in Norwegen – und auf allen Kanälen dudelt „Yesterday“: Bent Hamers „Eggs“, einer der originellsten Filme des Jahres

Immer wieder die selben Treppen rauf und runter. Im Hintergrund wird ein Name gerufen. Die Stufen sind in der Mitte geteilt, für jedes Bein eine, rechts, links, sozusagen schrittgerecht. Oder für zwei Leute, die immer nebeneinander den selben Weg gehen, und doch immer gegeneinander versetzt bleiben. Ungleichzeitig, sich überschneidend, überlagernd, in abhängiger Verschiebung, wie die beiden Brüder Far (Kjell Stromoen) und Moe (Sverre Hansen).

Altherren-Symbiose in einem kleinen eingeschneiten Häuschen in Norwegen. Far (Papa), der Ältere, gibt gelegentlich ein paar Takte vor, bestimmt, wann der Lebertran getrunken wird, schimpft ein bißchen hier und da – der Rest ist Routine, festgelegtes Ritual. Alles wird geteilt. Der Badetag am Wochenende, danach das Wiegen im Unterhemd, Knöpfe annähen zwischendurch, den Kanonenofen heizen, Essen natürlich und statt Fernsehen Pfeiferauchen und Karten spielen bis zur Erschöpfung. Nicht zu vergessen auch das Kreuzworträtsellösen. Dazwischen ein paar Wortwechsel, die von den wie seit Jahrzehnten eingespielten beiden Schauspielern in unnachahmlicher Nöligkeit vorgetragen werden.

Wunderliche Marotten haben sich eingeschlichen ins Einerlei dieses leicht granteligen Duos in den Siebzigern. Stundenlang stehen sie im Fenster und hören Radio. Apollo-Landung auf dem Mond, dann wieder dudelt auf allen Kanälen „Yesterday“.

Neben einer Kamera (Erik Poppe), die oft unerwartete Winkel und Zögerlichkeiten eingeht, ergibt das würdevolle Understatement, mit dem die Oldtimer ihre Schrulligkeit zelebrieren, einen Film, der zum Originellsten zählt, was die fsk-Leute und der Kairos- Filmverleih dieses Jahr an Land gezogen haben.

Eines Tages kündigt eine Stimme aus Oslo Veränderung an. Der Haushalt bekommt Zuwachs in Gestalt von Fars Sohn Konrad (Leif Andrée), späte Folge eines einsamen emanzipatorischen Moped-Ausflugs nach Schweden. Der neue Mitbewohner reist mit einem Kistchen voller akribisch beschrifteter Vogeleier an, ein fremdartiger Eindringling, der gelegentlich selber ein Vogelpiepen von sich gibt und fortan vom Rollstuhl aus die Brüder dirigiert.

Die symbiotische Zweisamkeit gerät im Nu durcheinander, hilflos versuchen die Alten, mit neuen Methoden alte Vertrautheiten wiederherzustellen. Eigens wird eine Küchenmaschine angeschafft, zur Verarbeitung riesiger Mengen Bananen zu Bananentrunk. Ein dritter Kleiderhaken wird mehr halbherzig an die Wand gepinnt. Innen und Außen sind eine unverträgliche Mischung eingegangen. Die sorgsam stabilisierte Innerlichkeit der zwei alten Knaben in der Schutzhülle des einsamen Hauses zerbricht. Gudrun Holz

„Eggs“, Regie: Bent Hamer, Norwegen, 90 Minuten, OmU, ab 20. November um 18.15 und 20.30 Uhr im Kino fsk, Segitzdamm 2