Gegen die Romantik

■ "Hörte ich zu meinen Gedichten manche hübsche Melodie": Dem Liedermacher und Musikkritiker H. Heine zum 200. Geburtstag

„Kaum wage ich das Bekenntniß: ich verstehe keine Note.“ Das sollte mal einer den Kollegen zu sagen wagen (obwohl man's ja von manchem denken muß). Uhii, des Blasens zur Jagd wäre kein Einhalt. Heine, Heinrich – er konnte sich auch das erlauben.

Doch öfter noch als der Musikkritiker Heine untalentierte Tonsetzer in die Niederungen reißen konnte, haben diese den Lyriker H. getroffen und die Eleganz seiner Versfüße mit hinkendem Rhythmus und lallenden Deklamationen verhunzt. Aber es gab ja noch die anderen, die das zwischen den Zeilen Klemmende, das Zauberische, Atmosphärische in Töne zu übersetzen vermochten. „In Berlin hörte ich ebenfalls zu meinen Gedichten manche hübsche Melodie“, schrieb er 1830 – man kann es nun wiederhaben: Sieben Programme im Konzerthaus am Gendarmenmarkt bereiten seinen 200. Geburtstag vor.

Franz Schubert hat Heine nur sechsmal vertont. Aber nicht mit Leichtigkeit und Ironie. „Der Atlas“ und „Doppelgänger“ aus Schuberts „Schwanengesang“ (einer alten Geschichte zufolge singen Schwäne angeblich in der Stunde ihres Todes, seitdem denken die Verleger, ihre Dichter und Komponisten täten das auch). Hier fällt der sonst so mühsam gemäßigte Schubertsche Ton unvermittelt ins Schreiende. Wer's nicht glaubt, gehe am 27. November um 19.30 Uhr zu Christoph Prégardien und Siegfried Mauser in den kleinen Saal. Dort dann auch Lieder von Robert Schumann, der Heine ausgiebig besungen hat.

Der übelste aller Erfolgskomponisten

Wenn am 29. 11. am selben Ort Rappelstücke von Chopin, Liszt, Thalberg und Kalkbrenner von dem Pianisten Markus Groh vorgetragen werden, dann haben die Veranstalter das Programm etwas zusammengeflunkert. Gewiß, Heine, der Kritiker, hat auch sie besprochen. Aber doch etwas ambivalent: Berlioz und Liszt „sind wohl die merkwürdigsten Erscheinungen in der hiesigen musikalischen Welt; ich sage die merkwürdigsten, nicht die schönsten, nicht die erfreulichsten“.

Heines musikalische Liebe galt Rossini und Meyerbeer, die aber passen nicht so recht ins romantische Bild. Von letzterem singt Julie Kaufmann am 6. Dezember immerhin vier Lieder, ansonsten manches von Felix Mendelssohn, der soviel von Heine vertonte, von diesem aber immer nur zersaust wurde. „Wenn ich das Glück hätte, ein Enkel von Moses Mendelssohn zu seyn, so würde ich mein Talent wahrlich nicht dazu hergeben, die Pisse des Lämmleins in Musik zu setzen.“ Das „Christeln“ hat der zum protestantischen Christentum konvertierte Jude Heine dem zum Pietismus neigenden Juden Mendelssohn verübelt.

Dem übelsten aller erfolgreichen Komponisten aber – Richard Wagner, dem glühenden Antisemiten – hat Heine nicht einmal verübelt, daß dieser sich die Geschichte des fliegenden Holländers und das Motiv des Tannhäusers (die Ouvertüre erklingt am 6.–8. 12. im Großen Saal) aus seinen Schriften abkupfert, den Autor aber verleugnet. Aber das, ach, ist wieder das garstige Lied von Moral und Politik, das die Hymnen auf die Genie-Romantik etwas kreischend kontrapunktiert. Das Gruppenbild mit Heine ist von mancherlei Sprüngen durchzogen – und gerade dadurch von Leben so erfüllt.

Eine Querverbindung zu unserem Jahrhundert wird am 13. Dezember an Heines 200. Geburtstag gezogen. Morton Feldmans Stück „I met Heine on the Rue Fürstenberg“, gespielt vom Kammerensemble Neue Musik Berlin. Es ist Resultat der nicht ganz realen Geschichte, wie Feldman 1970 Heine in Paris traf, als er gerade Chopin besuchen wollte und sie sich als exilierte Juden begrüßen. Sehr speziell, äußerst hörenswert – und definitiv antiromantisch. Frank Hilberg

Konzerthaus am Gendarmenmarkt, bis 13. 12.; Infos unter Tel.: 203 09 21 01/21 02