■ Dayton-Vertrag: Seit zwei Jahren schweigen in Bosnien die Waffen
: Der schwierige Frieden

Vor zwei Jahren wurden die Verhandlungen in Dayton/Ohio abgeschlossen. Alle Kriegsparteien saßen damals an einem Tisch. Auch jene, die zuvor geleugnet hatten, eine zu sein: die Präsidenten von Serbien und Kroatien, Milošević und Tudjman.

Der Kompromiß konnte sich sehen lassen. Zwar wurde den Forderungen der Belgrader und Zagreber Seite gemäß das Land in zwei Entitäten aufgeteilt, aber auch den Wünschen aus Sarajevo entsprochen. In dem Abkommen liegt das Versprechen, Bosnien- Herzegowina wieder als Gesamtstaat herzustellen, die Vertriebenen heimkehren zu lassen, den Wiederaufbau zu fördern und die Kriegsverbrecher dem Tribunal in Den Haag zu übergeben. Und das wichtigste Ziel wurde sofort erreicht: Die Waffen schwiegen.

Mit der Installierung internationaler Truppen unter der Führung der Nato und eines Büros des Hohen Repräsentanten (OHR) hat die internationale Gemeinschaft die Verantwortung für den Friedensprozeß übernommen. Der Friedenstruppe (Ifor, später SFOR) bekam das Mandat, auch mit Gewalt Verstöße gegen die Umsetzung von Dayton ahnden zu können. Und der Hohe Kommissar erhielt den Auftrag, die zivilen Ziele des Abkommens umzusetzen. Die internationale Gemeinschaft besaß damit nicht nur eine Schiedsrichterrolle, sondern war in eine Position manövriert, zum Motor der Entwicklung zu werden.

Zwei Jahre nach Dayton halten sich Erfolge und Mißerfolge der internationalen Politik in Bosnien- Herzegowina ungefähr die Waage. Die militärische Seite des Abkommens wurde problemlos erfüllt – die zivile Seite noch lange nicht. Zwar wurde mit dem Wiederaufbau begonnen, das Wirtschaftsleben beginnt sich zudem auf niedriger Basis wieder zu beleben, zwar wurden unter Aufsicht der OSZE Wahlen abgehalten, die erstmals nach dem Krieg repräsentative Körperschaften schufen. Von den wichtigen integrativen Zielen jedoch wurde fast keines erreicht. Nach wie vor ist es den Vertriebenen unmöglich gemacht, in ihre Heimat zurückzukehren, nach wie vor sind die wichtigsten Kriegsverbrecher auf freiem Fuß, die gemeinsamen Institutionen des Staates funktionieren nicht, die Bewegungsfreiheit bleibt eingeschränkt. Daß die serbische Bevölkerung aus der Region um Sarajevo nach dem Abkommen von Dayton ihre Heimat verlassen mußte und auf Betreiben der serbischen Nationalisten nach Brčko und Srebrenica umgesiedelt wurde, gehört zu den schwärzesten Kapiteln der „internationalen Herrschaft“ in Bosnien- Herzegowina.

Dennoch gibt es Hoffnungen auf Besserung. Vor dem Krieg hatten viele internationale Organisationen, Delegationen, Außenminister verschiedenster Staaten das Wort geführt und sich ihren nationalen Interessen gemäß oftmals widersprochen. Heute ist mit dem Büro des Hohen Kommissars immerhin ein Gremium entstanden, in dem sich eine gemeinsame internationale Strategie herausbilden kann. Und diese Strategie gibt vor, Dayton in allen Aspekten umzusetzen.

Mit den Wahlen wurde immerhin ein demokratischer Prozeß in beiden Teilen Bosnien-Herzegowinas begonnen. Daß die internationale Gemeinschaft es vor wenigen Monaten sogar wagte, die Bastionen der Herrschaft der serbischen Nationalisten in Pale zu erschüttern und ihr Propagandainstrument, das staatliche Fernsehen in Pale, einfach abzuschalten, gehört zur positiven Seite der Bilanz. Wie auch der Umstand, daß die Herrscher über die Medien in den kroatisch kontrollierten Gebieten gezwungen werden, sich für die Propagandalügen zu entschuldigen.

Daß es weiterhin zu Blockaden kommt, ist selbstverständlich. Vor allem die serbischen und kroatischen Nationalisten halten an ihrem Ziel fest, Bosnien-Herzegowina aufzuteilen. Sie spielen auf Zeit. Je länger die faktische Teilung anhält, desto mehr richten sich die Menschen in den neuen Gebilden ein, desto geringer würde der Wunsch der Vertriebenen, in die alte Heimat zurückzukehren, so das Kalkül.

Wer jedoch Dayton umsetzen, Demokratie, Menschenrechte und Völkerrecht durchsetzen will, darf sich nicht der Politik der nationalistischen Extremisten unterwerfen. Erich Rathfelder