Immer mehr Eichen weichen den Giften

Waldschadensbericht des BUND: 59 Prozent der Bäume sind krank. Vor allem den Laubbäumen geht es schlecht  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Der deutschen Eiche geht es schlecht. Jede zweite ist inzwischen schwer geschädigt, bei den Buchen ist es jede dritte. Vor allem die über 60jährigen sind zu einem Großteil todkrank – obwohl sie normalerweise im besten Baumalter sind. Bei andauernder Schadstoffbelastung lande die Eiche eines Tages auf der „Roten Liste“, warnte der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Hubert Weinzierl, gestern. Wie in jedem Jahr stellt der Umweltverband etwa zwei Wochen vor der offiziellen Präsentation des „Waldzustandsberichts“ durch das Bundeslandwirtschaftsministerium die Ergebnisse der Schadenserhebungen in den Ländern vor.

Offiziell sind insgesamt 59 Prozent der in Deutschland lebenden Bäume krank, jeder fünfte sogar schwer. Tatsächlich sieht es aber wohl noch weitaus schlimmer aus: Denn abgestorbene Bäume und Kahlflächen wie im Erzgebirge an der Grenze zu Tschechien werden gar nicht mehr mitgezählt.

An Untersuchungen über die Ursachen mangelt es dabei nicht: 850 Forschungsvorhaben zu den seit Anfang der 80er Jahre auftretenden „neuartigen Waldschäden“ wurden von Bund, Ländern und anderen Einrichtungen in Auftrag gegeben. Gekostet hat das alles 465 Millionen Mark.

Inzwischen weiß man viel mehr über die Wirkungen der Hauptschadstoffe Stickoxide und Schwefeldioxid. Während sich die Schwefeleinträge in den vergangenen Jahren durch Filter und andere Minderungsmaßnahmen um bis zu 70 Prozent verringert haben, sind die Stickstoffeinträge vielerorts sogar leicht gestiegen. Sie stammen nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) zu 40 Prozent aus der Gülle von Schweinen und Rindern und zu 30 Prozent aus dem Straßenverkehr. Ohne politische Gegenmaßnahmen nützt die ganze Forschung wenig.

Die sauren Einträge wirken auf den Wald in mehrerlei Weise. Oberirdisch schädigen sie unmittelbar die Blätter und Nadeln. Im Boden waschen sie lebenswichtige Nährstoffe wie Kalzium, Magnesium und Kalium aus. Zum anderen wirken die Stickoxide zunächst als Dünger und regen somit das Wachstum der Pflanzen an. Doch dadurch wird die Konkurrenz um die eh schon verknappten anderen Nahrstoffe um so größer. Und schließlich lösen die Säuren auch noch Aluminium, Blei, Cadmium und Kupfer, die ansonsten fest in der Erde gebunden und für die Nahrungsaufnahme der Pflanzen ohne Bedeutung blieben. Doch in gelöster Form vergiften sie die Bäume und führen zu Schäden am Feinwurzelwerk.

Die Bäume reagieren nicht nur mit geringerem Wurzelwachstum; sie versuchen auch, ihr unterirdisches Wachstum vor allem auf die oberflächennnahen Bereiche zu beschränken, wo die Giftstoffe weniger vorkommen. Die Folge ist jedoch, daß sie in Trockenperioden nicht mehr an tiefere Wasserschichten gelangen und außerdem bei Sturm leichter umfallen.

Der Deutsche Forstwirtschaftsrat (DFWR), ein Verband der Forstbesitzer, weist darauf hin, daß die Waldschäden auch zu enormen wirtschaftlichen Schäden führen. Nach einer Untersuchung der Uni Göttingen müßten die Einbußen auf 43 bis 95 Mark pro Jahr und Hektar veranschlagt werden. „In vielen Betrieben übersteigt dieser Betrag deutlich den möglichen Gewinn“, so der Präsident des DFWR, Hermann Ilaender.