Knebelverträge für Universitäten

■ Die Universität in Gießen, wo die Studentenproteste begannen, will vom Land Hessen vertragliche Sicherheiten für die Finanzplanung. Das Beispiel Berlin zeigt, daß das wenig nützt

Berlin (taz) – Wenn der hessische Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) heute an die Justus- Liebig-Universität in Gießen kommt, wird er mit zweierlei konfrontiert: dem bunten Protest von enttäuschten Studienanfängern und einem überraschenden Wunsch des Uni-Präsidenten Heinz Bauer. „Wir wollen einen Vertrag, der für fünf Jahre die finanziellen Konditionen der Universität festschreibt.“

Bauer erhofft sich von einem solchen Vertrag mehr Planungssicherheit für seine akademische Lehranstalt mit 23.000 Studierenden. Als Präsident hat Bauer nämlich zwei frustrierende Termine jedes Jahr. Den Tag, an dem der hessische Landtag mit dem Landeshaushalt die Universitäts-Etats kürzt; und einen weiteren, wenn Finanzminister Karl Starzacher (SPD) außerordentliche Einschnitte bekanntgibt. So mußte Präsident Bauer im laufenden Jahr nicht nur, wie anfangs geplant, 4,5 Millionen Mark durch Stellensperren erwirtschaften. In der Mitte des Jahres wurde der Betrag auf 7,3 Millionen Mark erhöht. „Das ist Wahnsinn“, klagt Bauer, „da geht nichts mehr.“ Daher will Heinz Bauer einen sogenannten Rahmenvertrag, der die Zuschüsse an seine Hochschule auf fünf Jahre festschreibt. Was für Heinz Bauer der Rettungsanker ist, geht in Berlin gerade gründlich schief. Dort einigten sich Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) und die Präsidenten der drei Universitäten im Sommer auf vertraglicher Basis. Nur haben sie dabei Kürzungsraten akzeptiert, die noch weit über die Gießener Situation hinausgehen. 950 Millionen Mark weniger (von ehemals 3 Milliarden Mark) stehen für die akademischen Lehranstalten zur Verfügung – so groß ist allein der Gesamtetat der Technischen Universität Berlin. Das heißt: Bis zum Jahr 2003 verliert Berlin de facto eine Universität. Die Studierenden der Freien Universität (FU) versuchen nun, ihren Präsidenten gegen den „Knebelvertrag“ aufzubringen. Sie werfen Johann Gerlach vor, sich zum Vollstrecker des Senats zu machen. Für die FU bringt der Rahmenvertrag einen dramatischen Bildungsabbau mit sich: Die Uni wird von derzeit 600 auf 360 Professuren im Jahr 2003 herabgesetzt. „Das würden wir nicht akzeptieren“, winkt Heinz Bauer ab. Er möchte den hessischen Ministerpräsidenten Eichel dazu bringen, „über Konditionen zu reden“. Wieviel Vertragstreue zu erwarten ist, haben die Finanzminister gestern gezeigt. Sie beschlossen trotz der Proteste eine Kürzung bei den Bafög-Ausgaben. Christian Füller