OECD will unbeschränkte Einkaufstour im Ausland

■ Die Industrieländer verhandeln über Regeln für internationale Investitionen. Kritiker fürchten, daß Konzerne sich endgültig über Umweltschutz und Menschenrechte hinwegsetzen

Berlin (taz) – „Der vorliegende Entwurf ist wie der Wunschzettel der multinationalen Unternehmen an den Weihnachtsmann“, beklagte der Geschäftsführer der Organisation für Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (WEED), Peter Wahl. Die Rede ist vom multilateralen Investitionsabkommen (MAI), das die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) plant. Die OECD gilt als Klub der Industrieländer. Das Abkommen würde lediglich die investierenden Unternehmer schützen, beklagte auch der Vizevorsitzende von German Watch, Michael Windfuhr, gestern in Bonn.

Das „Multilateral Agreement on Investment“ soll einige Bereiche der Weltwirtschaft regeln, die vom Welthandelsabkommen WTO nach Meinung der Industrie nicht ausreichend erfaßt werden. Theoretisch sollen mit der Verabschiedung des MAI im nächsten April in den Beitrittsstaaten jeweils für alle – vom Kleinbauern bis zum Großkonzern – die gleichen Vorschriften für Investitionen gelten. Egal, ob nun ausländische oder inländische Unternehmen einen Staatsauftrag ergattern wollen, ob privatisiert oder ein Geschäft eröffnet wird: Internationale oder nationale Investitionen sollen gleichberechtigt fließen können. Wenn ein Staat nach seiner Unterschrift unter das MAI dessen Vorschriften nicht beachtet, kann es teuer werden, fürchten Kritiker. Unternehmen könnten erstmals Regierungen auf Schadenersatz verklagen, wenn sie durch Beschränkungen an einem Unternehmenskauf oder einem ihrer Ansicht nach lohnenden Geschäft gehindert wurden. Ökologische und soziale Belange würden im OECD-Entwurf ebensowenig berücksichtigt wie die wirtschaftlichen Interessen der Entwicklungsländer, bemängelten die Nichtregierungsorganisationen (NGO) gestern in Bonn. Die OECD sieht das in ihrer offiziellen Stellungnahme anders. Jedem Land stehe es weiterhin frei, eigene Gesetze zum Arbeits- oder Umweltrecht zu erlassen – solange diese für Ausländer nicht strenger sind als für heimische Investoren.

Wie das in der Wirklichkeit aussieht, verdeutlichte Jens Martens von WEED anhand der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta, in der schon ähnliche Regeln gelten: Die kanadische Regierung erließ ein Gesetz, das einen bestimmten Zusatzstoff im Benzin als umweltschädlich bezeichnet und deshalb verbietet. Nun wird sie von der US-Firma Ethyl Corporation verklagt. Die Ethyl Corp. ist der einzige Hersteller des Stoffes und wird daher mehr benachteiligt als irgendein kanadischer Hersteller – auch wenn es gar keinen kanadischen Hersteller gibt. „Gerade in Entwicklungsländern halten ausländische Konzerne viele ähnliche Monopole“, sagte Martens und kündigte eine Informationsoffensive an. Reiner Metzger