Labour dampft Sozialhilfe ein

■ Alleinerziehenden in Großbritannien sollen die Zahlungen massiv gekürzt werden. Auch Behinderten geht es ans Portemonnaie. Labour-Abgeordnete protestieren gegen "Tory-Politik"

Dublin (taz) – Da rebellieren selbst loyale Labour-Hinterbänkler: Die britische Sozialhilfeministerin Harriet Harman will Alleinerziehenden ab April die Sozialhilfe um umgerechnet bis zu 30 Mark pro Woche kürzen. Die Ankündigung löste auf der Fraktionssitzung sowohl beim linken als auch beim rechten Parteiflügel Empörung aus.

Die Kürzung war ursprünglich noch von der Tory-Regierung geplant worden, doch dann kam die Wahl am 1. Mai dazwischen. Die Labour-Rebellen zitierten nun Harman, die vor einem Jahr zu dem Tory-Sparvorschlag gesagt hatte, daß „Alleinerziehende höhere Kosten für ihre Kinder haben, denn sie werden von keinem Partner mit Zeit oder Einkommen unterstützt“. Harman gab vorgestern zu, sie sei über ihre Maßnahme keineswegs glücklich, aber „wenn man an der Regierung ist, muß man harte Entscheidungen treffen“. Unter dem Schlagwort „New Labour – New Deal“ soll ein Teil des gesparten Geldes, rund 90 Millionen Mark, für tausend „Personalberater“ ausgegeben werden, die einer Million Alleinerziehenden bei der Arbeitssuche helfen.

Nach der Fraktionssitzung machten sich die „Spin Doctors“ an die Arbeit. Ihre Aufgabe ist es, den Nachrichten den richtigen Dreh zu geben, damit die Medienvertreter sie so verstehen, wie die Regierung es wünscht. Es sei eine gutmütige Debatte gewesen, hieß es, bei der „die meisten Abgeordneten aus dem Sozialbereich hinter Harriet standen“. Eine Reihe von Abgeordneten beschwerte sich später beim Fraktionsvorsitzenden Clive Soley über diese Interpretation. Audrey Wise vom linken Flügel sagte: „Die Leute haben nichts gegen Harriet persönlich. Sie sind verärgert über die Regierung, die eine Tory-Politik macht.“ Die Rebellen wollen die Kürzungspläne durch Änderungsanträge kippen, wenn die Gesetzesvorlage im nächsten Monat im Parlament debattiert wird. Über 70 Abgeordnete haben einen Protestbrief unterzeichnet. Es werde Premierminister Tony Blairs bisher schwerste Prüfung, sagte einer von ihnen.

Auch den 6,5 Millionen Behinderten will die Regierung an den Geldbeutel. Gleich nach den Wahlen hatte Harman bei 250.000 von ihnen Inspektoren vorbeigeschickt. Künftig sollen alle Empfänger von Behindertenhilfe auf Bedürftigkeit überprüft werden, wenn es nach Harman geht, und das Geld soll versteuert oder zeitlich begrenzt werden. Damit will man den Haushaltsposten, der von 4,1 Milliarden Pfund 1982 auf 23,5 Milliarden im vorigen Jahr gestiegen ist, in den Griff bekommen.

Das Kabinett ist gespalten: Gesundheitsminister Frank Dobson und Blair-Stellvertreter John Prescott sind gegen die Maßnahmen, die Schatzkanzler Gordon Brown dem Sozialhilfeministerium aufzwingen will. Eine endgültige Entscheidung sei noch nicht gefallen, versicherte Harman. Ralf Sotscheck