Trinken wollen und können

■ Gesundheitsminister möchten Alkoholverkauf einschränken

Ein Glas Rotwein am Abend, das beugt Herzkrankheiten und Alzheimer vor. Sagen die Forscher. Weißwein ist genauso gesund, beeilte sich die Winzerlobby als Zusatzinformation nachzuliefern. Richtig, Alkohol ist nicht nur gesund, sondern auch im höchsten Maß sozialkompatibel. Zwei Gläser Wein machen die langjährige Beziehung erträglich, ein paar Bier den drögen Sonntag. Wer arbeitslos ist, schüttet mitunter noch ein bißchen mehr in sich hinein.

Alkohol spiegelt den deutschen Sozialstaat — und eine seiner zentralen Fragestellungen: Können oder wollen? Beziehungsweise: Nicht können oder nicht wollen? „Wollnse nich' oder könnse nich' schaffen, die Arbeitslosen?“ Diese beliebte Frage stellen sich Stammtischbesucher spät nachts mit schwerer Zunge. Und können sich die Antwort darauf selbst gleich am nächsten Morgen geben, wenn sie sich mit dickem Kopf vorsichtshalber krank melden: „Will ich heute nicht zur Arbeit gehen, oder kann ich nicht?“ Naa? Da dreht sich doch alles, irgendwie. Etwas nicht wollen und etwas nicht können, das ist oft nicht mehr zu trennen, und genau da liegt auch gewissermaßen die gesellschaftliche Dimension des Alkohols.

Bisher beschäftigte das vor allem die Rechtsprechung: „Ich hab's nicht gewollt, Herr Richter. Ich kann mich an nichts erinnern.“ Der Angeklagte wollte nicht, aber er konnte: zum Beispiel die Angetraute schlagen. Oder er konnte nicht, obwohl er wollte: nämlich vernünftig das eigene Auto nach Hause steuern.

Die Bundesbürger sollen jetzt weiter entlastet werden vom ewigen Konflikt zwischen Wollen und Können: Die Gesundheitsminister der 16 Bundesländer fordern, das Alkoholangebot in Kantinen, Tankstellen und Selbstbedienungsgeschäften zu reduzieren. Auch die Alkoholwerbung müsse eingeschränkt werden. Eine Null-Promille-Grenze für Führerscheinneulinge wird gefordert.

Der Vorschlag, auf Bierflaschen einen Warnhinweis anzubringen mit dem Aufdruck „Alkoholkonsum schadet der Gesundheit“ wurde hingegen von der Ministerkonferenz abgemildert. Und das ist schade. Sicher, die Deutschen würden auch dann weitertrinken. Aber dann wären sie immerhin selbst schuld. Es stünde ja auf der Flasche. Wir hätten anders gekonnt. Aber wir hätten nicht anders gewollt. Barbara Dribbusch

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