Das Pferd Nemo in der Kirche

■ Schweine-Gedenken / Tierschutzbund lud zum Gottesdienst ein

Es ist wohl eher unwahrscheinlich, daß der Reformator Martin Luther (1483-1546) in einer Kirche vor Tieren predigte. Und er wäre sicher erstaunt gewesen, wenn sich ein ausgewachsenes Pferd gemächlichen Schrittes dem Altar genähert hätte, um sich Beistand „von oben“zu holen. So geschehen am Samstag abend beim ersten Bremer Tiergottesdienst in der Kirche der Martin-Luther-Gemeinde im Ortsteil Findorff. Etwa 15 Vierbeiner, die meisten aus dem Tierheim, waren samt Zweibeiner-Begleitung erschienen, um unter anderem auf qualvolle Tiertransporte, Massentierhaltung und Tierversuche aufmerksam zu machen.

„Wir lassen die Sau raus“hatte Pastorin Gesche Gröttrup als Motto für den Gottesdienst ausgesucht. Dabei hat sie nach eigenen Worten an die mehr als 26 Millionen Schweine gedacht, die in qualvoller Enge gemästet werden. „Tiere und Menschen sind Geschwister, Tiere sind unsere Mitgeschöpfe“, sagte sie. Unter Glockengeläut und Orgelklängen begrüßten sich unterdessen die Katze „Paddy“, das Kaninchen „Black Beauty“, das Meerschweinchen „Fury“und der Bernhardiner „Mobby“.

„Paddy“, die erst vier Monate alt ist und soeben die fast immer tödlich verlaufende Katzenseuche überstanden hat, demonstrierte in der ersten Bank Nächstenliebe und schmuste mit dem etwa 13jährigen blinden Zwergpudel „Goldi“. „Mobby“ließ ruhig und gelassen seinen Blick durch die Reihen schweifen, aufmerksam wie ein Küster.

Der 20 Jahre alte Wallach „Nemo“hatte die Kirche bald wieder verlassen, weil er unruhig wurde. „Er war zerschunden, als wir ihn retteten und wieder aufpäppelten“, berichtete der Vorsitzende des Bremer Tierschutzvereins, Wolfgang Apel. „Nemo“sollte von Polen nach Frankreich zum Schlachten transportiert werden. „In Bruchhausen-Vilsen wollte man ihn dann notschlachten und das Fleisch auf dem Markt verkaufen“, schimpfte Apel.

„Herr, erbarme Dich“, sang die Gemeinde nach jeder tierischen Leidensgeschichte, die die Leiterin des Tierheims vorstellte. Und keiner der Vierbeiner „sagte“einen Mucks. „Paddy“hatte der Menschheit inzwischen sichtlich verziehen und kuschelte in der zweiten Reihe mit einem „Herrchen“.

Gert Simberger, dpa