Job-Rotation: Junge Nachfolger für alte Meister

■ Schnellkurs von Senat, Service Gesellschaft SPI und Handwerkskammer qualifiziert Gesellen, um ihre sonst aussterbenden Betriebe zu retten. Arbeitlose übernehmen die freien Stellen auf Zeit

Der Tischlermeister Wolfgang Ahl will seinen Betrieb übergeben. Doch er weiß nicht, an wen. Der Ruhestand nähert sich, die Kinder wollen nicht, ein Käufer für das gutgehende mittelständische Unternehmen ist nicht aufzutreiben. Seine Gesellen sind zwar qualifiziert, besitzen aber nicht den für eine Übernahme notwendigen Meisterbrief.

„Job-Rotation“ könnte für Tischler Ahl die Lösung sein. Ausgearbeitet haben dieses Modell die Service Gesellschaft SPI in Kooperation mit der Handwerkskammer. Immerhin rund 5.000 Handwerksbetriebe der Stadt suchen zur Jahrtausendwende generationsbedingt einen neuen Chef. Wenn sie keinen finden, drohen Stillegung und der Verlust von Arbeitsplätzen.

Die schon im Dezember anlaufende, rund ein Jahr dauernde Job- Rotation bietet den in den Unternehmen beschäftigten Gesellen die Möglichkeit einer verkürzten Vorbereitung auf die Meisterprüfung, während der Betrieb sogenannte Stellvertreter vom Arbeitsamt beschäftigt. Die in den Handwerksbetrieben angestellten Arbeitslosen sollen sich in dieser Zeit weiterqualifizieren.

Mit Job-Rotation verringert sich für die Gesellen einerseits die Dauer der Ausbildung, die sich üblicherweise in Abendkursen über mehrere Jahre hinzieht. Andererseits sparen sie bei den Kosten der Ausbildung. Während sie diese normalerweise aus eigener Tasche bezahlen müssen, wird die Job-Rotation aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und der Senatsverwaltung für Arbeit finanziert. Die „Stellvertreter“ vom Arbeitsamt im Betrieb beziehen weiterhin ihr Arbeitslosengeld. Nach der Weiterbildung der Gesellen steht Ende 1998 ein Existenzgründungsseminar auf dem Programm. Schließlich soll es mit der Betriebsnachfolge auch klappen.

Die Handwerksmeister waren bei der Vorstellung des Job-Rotation-Modells kürzlich noch skeptisch. Zwar begrüßten sie die Initiative zur Meisterqualifizierung ihrer Gesellen, doch herrschten „noch ganz große Bedenken betreffs der Stellvertreter“. Zwar kämen, laut Projektkoordinatorin Elke Oertel, nur „höchst motivierte Arbeitslose“ für Job-Rotation in Frage, aber die Betriebe stellen mit den Gesellen immerhin ihre besten Arbeitskräfte frei. Ob die Arbeitslosen diese Lücke schließen können, bleibt fraglich.

Tischler Ahl meint dazu: „Von der Idee her gut, aber ob sie damit den Arbeitslosen helfen, bezweifle ich.“ Ein im September abgeschlossenes ähnliches Projekt bei Betriebswirten des Handwerks, bestätigt diese Befürchtung: Bisher ist keiner der Stellvertreter übernommen worden. Kirsten Küppers