Schwätzer, zur Sache!

Beim heute beginnenden Apec-Gipfel sind statt unverbindlicher Worte Lösungen für die Finanzkrise in Ostasien gefragt  ■ Von Sven Hansen

Berlin (taz) – Wenn heute im westkanadischen Vancouver die 18 Staats- und Regierungschefs des Forums für „Asiatisch-Pazifische Wirtschaftskooperation“ (Apec) zusammenkommen, treffen sie sich bereits zum fünften Mal. Doch wurde bei früheren Treffen noch euphorisch vom „pazifischen 21. Jahrhundert“ gesprochen, steht der bis morgen dauernde Gipfel ganz im Zeichen der fernöstlichen Finanzkrise.

Die Währungsturbulenzen in Thailand, Malaysia und Indonesien trafen zunächst die Tigerstaaten der zweiten Generation. Doch Hongkongs Börsensturz vom Oktober und Südkoreas Ruf nach dem IWF am letzten Freitag trafen die bisherige Boomregion Ostasien ins Mark. Bei früheren Apec- Gipfeln konnten die Staatschefs unverbindliche Handelsliberalisierungen in ferner Zukunft beschließen, was Spötter zu der Bemerkung veranlaßte, Apec stünde für „A Perfect Excuse to Chat“ (eine perfekte Ausrede zum Schwatzen). Jetzt wird die Krise für Apec zum Test. Von den Politikern werden Beschlüsse erhofft, um zum Beispiel den Abwertungswettlauf fernöstlicher Währungen gegenüber dem US-Dollar zu beenden.

Daß sich die 18 Apec-Staaten gemeinsam zu entschlossenen Schritten durchringen können, ist trotz der Aufforderung von US- Präsident Bill Clinton zu „aggressivem Handeln“ unwahrscheinlich. Denn die Apec-Staaten sind extrem heterogen und von der Krise unterschiedlich betroffen. Bereits in den letzten Wochen gab es Streit um den japanischen Vorschlag eines asiatischen Währungsfonds, der bei akuten Krisen die Mittel des Internationalen Währungsfonds (IWF) ergänzen soll. Der IWF und die US-Regierung lehnen einen solchen Fonds ab. Sie befürchten ein Aufweichen harter IWF-Auflagen und damit den Verlust des eigenen Einflusses.

Letzte Woche wurde die Idee eines Asien-Fonds nicht einmal mehr von Tokio vertreten, dem die Belastung als Hauptfinanzier angesichts der eigenen Bankenkrise wohl zu groß geworden ist. Möglich ist aber, daß sich in Vancouver asiatische Staaten zu einem dem IWF untergeordneten Finanzmechanismus entschließen und Absprachen über ein Frühwarnsystem treffen.

Angesichts der Krise droht in Vancouver das ureigene Thema der Handelsliberalisierung trotz gegenteiliger Appelle in den Hintergrund zu treten. Der US-Regierung ist das Tempo der Öffnung asiatischer Märkte ohnehin zu langsam. Nach dem Motto „Jetzt erst recht“ preist Washington die Liberalisierung als Lösung der Krise. Einige asiatische Staaten sehen die Marktöffnung dagegen eher als Ursache und erwarten Hilfen. Da US-Präsident Clinton nicht mehr die uneingeschränkte Vollmacht des Kongresses für Handelsverträge hat, ist seine Position geschwächt.

Bei ihren Treffen am Freitag und Samstag einigten sich die Handelsminister auf neun Sektoren, bei denen der Abbau der Zollschranken auf freiwilliger Basis vorgezogen werden soll. Zu den Bereichen mit einem Exportvolumen von 160 Mrd. US-Dollar zählen Fisch, Holz, medizinische Ausrüstung, Umwelttechnik, Telekommunikation, Spielzeug und Chemie. Es ist das bisher weitreichendste Apec-Abkommen. Vereinbart wurde auch eine Reduzierung der Investitionsrisiken bei Infrastrukturprojekten. Die Staats- und Regierungschefs müssen diese Beschlüsse jetzt bestätigen. Ihnen bleibt auch die Aufnahme neuer Mitglieder vorbehalten. Als aussichtsreichste Kandidaten gelten Rußland, Vietnam und Peru.

Parallel zum Gipfel in Vancouver gibt es zahlreiche Protestveranstaltungen. „Apec bietet keinen Raum für Gewerkschaften und die Zivilgesellschaft“, kritisiert der kanadische Gewerkschaftsführer Bob White. Die Alternativveranstaltungen wollten zeigen, daß die Apec-Politik kein „Allheilmittel“ für die Wirtschaftsprobleme sei, so einer der Organisatoren. Beteiligt sind unter anderem mexikanische Zapatisten, chinesische Dissidenten und osttimoresische Aktivisten. Am Freitag wurde ein „Kongreß der Völker“ mit 750 Teilnehmern eröffnet. Zuvor gab es ein Jugendforum und eine Frauenkonferenz gegen Apec. Die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi aus Birma sagte in einer Videobotschaft: „Ohne Demokratie kann es keinen echten wirtschaftlichen Fortschritt geben.“