Bayern gegen den Rest der Republik

■ Stoibers Vorschlag, die sozialen Sicherungssysteme zu regionalisieren, sorgt bundesweit für einen Sturm der Entrüstung über alle Parteigrenzen hinweg

München/Berlin (taz/AP) – Ein „grundsätzlich positives Signal“ wollte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber geben, als der CSU-Parteitag am Wochenende eine Initiative zur Regionalisierung der sozialen Sicherungssysteme beschloß. Das Signal ist angekommen und auf mächtigen Widerhall gestoßen. Reihenweise wandten sich gestern Politiker aller Parteien gegen den Vorstoß der CSU, künftig Organisationsstrukturen der Sozialversicherungsträger, aber auch die Finanzströme länderweise zu regeln.

„Beitragssätze sind regional festzulegen“, heißt es in der Resolution, die der Parteitag „mit zustimmender Tendenz“ an eine Parteikommission überwies. Dagegen sprachen sich in seltener Einmütigkeit der CDU-Generalsekretär Peter Hinze, der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Dieter Thomae (FDP), sowie die Ministerpräsidenten Manfred Stolpe, Reinhard Höppner und Eberhard Diepgen aus. Auch führende CSU-Bundespolitiker gingen auf Distanz.

Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger machte verfassungsrechtliche Bedenken geltend. Die Umsetzung der Idee wäre der Abschied aus der gesamtstaatlichen Solidarität und würde die Rechts- und Wirtschaftseinheit Deutschlands gefährden. Strukturschwache Regionen würden aufgrund höherer Sozialbeiträge weiter zurückfallen und wirtschaftlich starke Gebiete – wie Bayern – noch besser dastehen. Ähnlich begründete Gesundheitsexperte Thomae in der taz die ablehnende Haltung der FDP. CDU-Generalsekretär Hintze erklärte, seine Partei setze weiter auf die Solidargemeinschaft und den Risikostrukturausgleich. Jagoda sagte, der Stoiber-Idee stehe schon die Verfassung entgegen, die den Auftrag enthalte, auf vergleichbare Lebensverhältnisse in ganz Deutschland hinzuarbeiten.

Aktueller Anlaß der CSU-Initiative sind die Verhandlungen über den Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen in Ost- und Westdeutschland. Bundesgesundheitsminister Seehofer (CSU) wird in der kommenden Woche über den Transfer von über einer Milliarde Mark in den Osten zu entscheiden haben. Allerdings hatte Stoiber bereits auf dem Parteitag deutlich gemacht, daß sich Bayern dieser aktuellen Finanzierung nicht verweigern werde. Ihm sind allerdings die föderalen Finanzstrukturen seit längerem ein Dorn im Auge. Auf dem Parteitag erklärte er denn auch, daß es ihm darum gehe, daß „Druck ausgeübt wird“ in Richtung Regionalisierung. Die CSU habe zunächst einmal bayerische Interessen zu vertreten, sagte Stoiber mit Blick auf die Landtagswahlen im kommenden September.

Unter Druck hat er damit vor allem die Bundespolitiker seiner Partei gesetzt. Die waren denn auch bemüht, den Konflikt zu dämpfen. Waigel findet einerseits, die Forderung nach einer Regionalisierung der sozialen Sicherungssysteme sei für die CSU „ein wirklich ernsthaftes Thema“. Er betonte aber andererseits, daß die CSU in dieser Frage „keinen Schnellschuß“ anstrebe. Seehofer warnte seine Partei, man dürfe „nicht Forderungen stellen, die wir nie einlösen können“. Dieter Rulff

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