Zahlen oder nicht – oder ab nach Bayern

„Notopfer Krankenhaus“: Die Kassen bitten jetzt um eine milde Gabe  ■ Von Lisa Schönemann

Wer ein Herz für die Hochwasseropfer an der Oder hat und Weihnachten Pakete nach St. Petersburg schickt, der sollte eines nicht vergessen: Auch den Krankenkassen geht der Allerwerteste auf Grundeis. In ihren gläsernen Palästen haben sie stapelweise Bittbriefe gedruckt, die dieser Tage verschickt werden. Ein „Notopfer Krankenhaus“erheischen sie, pro versicherter Nase 20 Mark. Mit dem Almosen soll notleidenden Kliniken unter die Arme gegriffen werden.

Noch bevor die Konten sich füllen, streiten Kassen, Spitäler und Versicherte, wo das Geld am unauffälligsten versickern könnte. In der Krankenkassenverwaltung? In der Sanierung maroder Klinikbauten? Im eigenen Säckel? Und was passiert, wenn die Mitglieder den Spendenaufruf so kurz vor Weihnachten links liegen lassen?

Die Idee für den umstrittenen Obolus kommt aus Bonn: Früher teilten sich Bund und Länder die Instandhaltungskosten für die Kliniken. Als der Bund nicht mehr mitmachte, kamen die Länder (außer Bayern) den finanziellen Verpflichtungen nicht ausreichend nach. Daraufhin verdonnerte der Gesetzgeber die Kassen im sogenannten 2. Neuordnungsgesetz dazu, den Krankenhäusern von 1997 bis 1999 pauschal einen Zuschlag von 1,1 Prozent auf ihre Budgets zu zahlen. Diese Mehrausgaben dürfen die Kassen jetzt über das „Notopfer“von ihren Mitgliedern einziehen.

In Hamburg geht es – eine solide Zahlungsmoral der Versicherten vorausgesetzt – um eine Summe von 26 Millionen Mark. Nach Berechnungen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft (HKG) wären freilich mindestens 50 Millionen Mark notwendig, um den Putz an den Klinikwänden zu halten. Außerdem sind die Budgetverhandlungen mit den Kassen längst abgeschlossen. Die HKG befürchtet, trotz aller Versprechungen leer auszugehen. Frank Ulrich Montgomery hat deshalb die Gesundheitsbehörde auf den Plan gerufen. Sie solle „den Kassen den Marsch blasen“, so der Chef des Landesverbands des Marburger Bundes, der Vertretung aller Klinikärzte.

Den Versicherten bleiben drei Möglichkeiten: Ein Umzug in den Freistaat Bayern, in dem das „Notopfer“kein Thema ist oder, zweitens, das Ausfüllen des Überweisungsvordrucks für mildtätige Zwecke. Die dritte Erwägung wäre, das Problem auszusitzen.

Denn der Gerichtsvollzieher kommt erst bei einer Schuld von mehr als 50 Mark ins Haus. Zudem bedeutet das Geldeintreibeverfahren für die Versicherungen zusätzliche Arbeit und damit Verwaltungskosten, die die erhoffte Spendensumme weit überschreiten würden. Ist doch selbst ohne Mahnverfahren unklar, wieviel der milden Gaben ihren Weg bis in die Krankenhäuser finden werden.