Der Dinosaurier im Museum of Modern Art

Vor den Bilder lagen die Fragen: Wo und wann tauchen Bilder auf? Sind sie draußen in der Welt? Oder drinnen im Körper? Kann man sie besitzen, oder sind sie selbst eine Form der Besessenheit? Das Einstein-Forum Potsdam lud zur Tagung „Was ist ein Bild?“  ■ Von Brigitte Werneburg

Es war Dietmar Kamper, der zum Schluß das Bild jener berühmten Konstruktion aufbrachte, die man auf Jahrmärkten findet. „Haut den Lukas“ funktioniert bekanntlich derart, daß ein kräftiger Schlag mit dem Holzhammer einen Bolzen in senkrechte Fahrt nach oben bringt, wo er einen Spiegel anstößt, der sich zu drehen beginnt, wodurch das von ihm eingefangene Bild zertrümmert wird.

Aber ganz so schlimm, wie es dieses Bild suggeriert, war es auf der Potsdamer Tagung „Was ist ein Bild?“ denn doch nicht zugegangen. Selten, eigentlich nur ein einziges Mal im Falle von Hans Puttnies, wurde zur Holzhammermethode gegriffen. Es war auch weder Ziel, das Bild zum Verschwinden zu bringen, noch wurde im besonderen das Bild der Maler, deren Schutzpatron ja der heilige Lukas ist, attackiert.

Gegen das Bild – was immer es sei – werden viele Bedenken geführt. Gern werden ihm andere Entitäten entgegengestellt, das Wort, das – anders als das Bild – bei Gott war; die Welt, die es verstellt; der Körper, den es zum Verschwinden bringt.

Es mag auch diese Aufrechnerei gegen das Bild sein, so ließ sich nach Hans Beltings Vortrag sagen, die ihn bewog, die Tagung zu initiieren und seine Hoffnung in eine Aufklärung über das Bild zu setzen. Daß sein Mitstreiter Dietmar Kamper hieß, erstaunte eher, denn dessen bekannter Argwohn gegen die Droge Bild nennt sich immerhin eine „Schule des Verdachts“. Seine Frage nach den wahnsinnigen Entzugserscheinungen, die eine Welt ohne Bilder befallen würde, zeigte, daß er das Bild – das nun doch schon so lange Routinemittel der Kommunikation ist – noch immer als das Besondere hinsichtlich Schrift und Sprache denkt. Denen gegenüber käme er wohl kaum auf eine solche Frage.

Den möglicherweise völlig verfehlten Wettstreit zwischen den ikonoklastischen Metaphysikern der Schrift und dem Bilderkult der römisch-katholischen Ikonophilie sah Hartmut Böhme in jedem Fall durch das zeichenlose Zeichen Auschwitz historisch für beendet. Einen zwischen Bildverbot und Erinnerungsgebot vermittelnden Weg erkannte er im Werk von Christian Boltanski und Daniel Libeskind. Aufschlußreicher wäre es aber vielleicht gewesen, dem Katholischwerden des Holocaust in den bildlich-identifikatorisch angelegten US-amerikanischen Museen gleichen Namens nachzugehen. Zumal Böhme zuvor den Katholizismus so eloquent als Medienmacht beleuchtet hatte.

Die verfehlte Entgegensetzung von Körper und Bild vermutete Hans Belting in einem Diskurs, „der auf das Bild nicht scharf stellt“. Die Unschärfe liegt in der Verwechslung des Bildes mit seinem (technischen) Träger. Es wird zuwenig beachtet, daß wir immer sowohl die Bilder wie ihre Trägermedien sehen. Die Einheit von Bild und Medium bleibt gewahrt, insofern wir eine Skulptur als Skulptur erinnern, obgleich sie das in unserem Bewußtsein nicht mehr ist. Wenn wir aber Bilder niemals ohne ihre Verkörperung antreffen, könnte unsere heutige „Flucht aus dem Körper“ in die technischen Medien gleichfalls eine Verwechslung sein, diesmal von Körper(-bild) und Medium, anstatt zu sehen, daß es sich um eine Spielart der Körperwahrnehmung handelt. Die Bilder spiegeln dann nur wider, wie wir mit unserem Körper umgehen, keinesfalls sind sie für die Negation des Körpers verantwortlich zu machen.

Damit ließe sich vielleicht auch die enorme Bedeutung des Sports als Bilderlieferant deuten. Wie Gunter Gebauer ausführte, muß der menschliche Körper durchaus erst mal ins Spiel kommen, damit am Ende Michael Schumacher nur noch Sehgegenstand ist, eine Ikone, Emblem eines gelungenen Lebens, wenigstens aber einer gelungenen Person. Diese Körperbilder erzählen vor allem Jugendlichen von der Macht der Person, ihrer Autorität, ihrer Geschlechtlichkeit, und können für sie als Mittel der Stabilisierung wie der Lockerung dienen. Die Verbindung von Personenkonzept und Bild nahm eine bestimmte weibliche Zuhörerschaft Gebauer so nicht ab, sie fand sich angesichts seines Beispiels der Wettkampfsgymnastin plötzlich als „out“ degradiert und forderte die hier so glücklich vermiedene Kulturkritik ein.

Das ein-gebildete Geschlecht in einem etwas anderen Sinne, als es Christina von Braun in ihrem Vortrag zur symbolischen Geschlechterordnung in Judentum und Christentum vorstellte. Hans Puttnies' unerhebliche Begründung seiner Forderung nach einer neuen Ethik der Bilder dürfte hier auf fruchtbaren Boden gefallen sein. Bedarf es einer Ethikkommission angesichts von „Paleoart“? Wie nämlich der mit Massenkultur und Kitsch assoziierte Dinosaurier ins Heiligtum der Avantgarde, das Museum of Modern Art (MoMA), gelangte, war W. J. T. Mitchells Beitrag zur Frage nach dem Bild. Zugespitzt: Ohne den in der US-amerikanischen Geschichte seit Jefferson mitlaufenden Dinosaurier kein Bild der Moderne, wie es das MoMA repräsentiert. Der Dino ist hier, wie Mitchell ebenso unterhaltsam wie überzeugend auszuführen wußte, eine emblematische Figur – für Modernisierung, Moderne und Modernität gleichermaßen.