Rom provoziert den Aufschrei der Lämmer

Eine päpstliche „Instruktion“ sorgt für Aufregung: Die Mitarbeit von Laien soll auf das Minimum reduziert werden  ■ Von Bernhard Pötter

Seit einer Woche beherrscht heiliger Zorn die katholische Szene in Deutschland. Von der „schwersten Krise zwischen Deutschland und dem Vatikan seit hundert Jahren“ ist die Rede; Theologieprofessoren rufen zum offenen Widerstand gegen die Anordnungen des Papstes auf; das Zentralkomitee der Katholiken (ZdK), das oberste Gremium des deutschen Katholizismus, spricht von einem „dunklen Tag“, an dem die Bestimmungen über die Abgrenzung der Priester von den Laien veröffentlicht wurden.

Stein des Anstoßes ist die umstrittene „Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester“, die am 13.November veröffentlicht wurde. Sie verweist die Nichtpriester auf die hinteren Kirchenbänke. Wie der Blitz aus heiterem Himmel hat der Vatikan seinen Schäfchen enge Grenzen für die Mitarbeit in der Kirche aufgezeigt: Der „Mißbrauch“ des Priesteramtes durch nicht geweihte Menschen soll vermieden und die Grenze zwischen Klerus und Laien wieder scharf gezogen werden. Dazu gehört laut Instruktion: Die Predigt im Gottesdienst sei nur für Priester zugelassen, das Tragen von geistlichen Gewändern und die Mitarbeit beim Gottesdienst durch Laien müsse beschränkt werden. In den Gemeinderäten sollten Priester das letzte Wort haben.

Die Deutsche Bischofskonferenz, sonst immer ängstlich um Gleichklang mit den römischen Oberhirten bedacht, beschäftigte sich gestern und heute auf der Tagung ihres Ständigen Ausschusses in Würzburg mit der Anordnung und der Kritik daran. Die Bischöfe wünschen sich, Rom hätte einen „besseren Ton getroffen“. Es entstehe der Eindruck, so der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Karl Lehmann aus Mainz, „die Mitarbeit der Laien wäre nur erwünscht, weil und solange es einen Priestermangel gibt“.

In der mit allerhöchster römischer Autorität ausgestatteten Instruktion, die von allen acht Kongregationen (Ministerien) des Kirchenstaates unterzeichnet wurde, stehe zwar „nichts Neues“, meint der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Rudolf Hammerschmidt. „Inhaltlich ist das alles bekannt. Aber der scharfe Ton, die unspezifischen Vorwürfe und die Mißachtung regionaler Unterschiede haben zu Verwirrung geführt.“ Die von Rom gerügten „mißbräuchlichen Praktiken“ seien in den Kirchen von Nord- und Südamerika, Afrika oder der Schweiz, Österreich und vor allem der Niederlande wesentlich häufiger als in Deutschland. Dennoch fühlen sich die deutschen Laien stark betroffen, weil „es hier eine starke Tradition der Laien und ihrer Verbände wie dem ZdK gibt“.

Nicht nur das: In Deutschland wird verstärkt am Modell einer „Klerikerkirche“ gekratzt, die die Gläubigen in zwei Klassen einteilt und nach Meinung von Theologen wie etwa dem Tübinger Professor Norbert Greinacher dafür keine theologische Rechtfertigung hat. Anfang der neunziger Jahre löste der Paderborner Theologe Eugen Drewermann mit seinem Buch „Die Kleriker“ eine Debatte über die Überforderung der Priester durch die Zwänge ihres Amtes aus. Die kirchenkritische Zeitschrift Publik-Forum führt eine Debatte: „Wollte Jesus Priester und Bischöfe?“

In Deutschland schließlich war vor eineinhalb Jahren auch das „Kirchenvolksbegehren“ mit 1,85 Millionen Unterschriften sehr erfolgreich, das eben diese Stellung der Laien und vor allem der Frauen in der Kirche stärken will. Für deren Sprecher Christian Weisner ist die Instruktion denn auch „ein Schlag ins Gesicht der Laien. Wir rufen alle Gremien in den Gemeinden, alle Verbände, Bewegungen und Gruppierungen sowie alle Priester und Bischöfe auf, sich gegen diese römische Instruktion zu wehren.“ Belastet würden vor allem auch die Priester, die ihre Verantwortung für die Gemeinden nicht abgeben dürfen, befürchtet der Bischof von Limburg, Franz Kamphaus.

Nur wenige seiner Kollegen begrüßen die Order aus Rom so vorbehaltlos wie die konservativen Erzbischöfe von Köln und Fulda, Joachim Meisner und Johannes Dyba. Dyba, um provokative Aussagen nie verlegen, erklärte, die Kirche sei „nun mal keine Laienspielschar“. Die Laien sollten „christlichen Geist in die Welt tragen, nicht aber den weltlichen Geist in die Kirche“. Viele seiner deutschen Amtsbrüder sind dagegen von der Härte der Erklärung überrascht.

Die Vatikan-Instruktion sei „von der Angst diktiert“, sind sich Basischrist Weisner und Bischofskonferenzsprecher Hammerschmidt ausnahmsweise einig. In Rom herrsche die Furcht vor der „Protestantisierung“ der Katholiken, dem Verschwinden der herausragenden Stellung der Priester und damit ein Machtverlust für die Zentralgewalt. Dem Papst gehe es um eine „Schärfung des Berufsbildes Priester“, so Hammerschmidt. Weisner sieht die Kirche in einem Teufelskreis: Der Papst als Oberhaupt von rund einer Milliarde Katholiken in aller Welt erfahre zunehmend die Zentrifugalkräfte, die sein globales Unternehmen auseinanderdriften lassen. Darauf reagiere Rom mit strikteren Vorgaben, die aber die Entfernung nur vergrößerten.

Nach der ersten Aufregung sind beide Seiten darauf aus, die Wogen zu glätten. Für viele deutsche Katholiken bleibt die Instruktion allerdings ein Signal, daß der Vatikan sich auf die „Kernkirche“ konzentriert und sich zunehmend von der Welt abnabelt.