Sorglos durch den Schwulst

■ Da-da-da-da: Jean Bernard Pommier dirigierte das Bremer Philharmonische Staatsorchester durch Beethovens Fünfte

Die fünfte Sinfonie von Beethoven ist bestimmt nicht öfter als seine zweite oder die achte von Schubert oder die Jupitersinfonie von Mozart zu hören. Trotzdem ist sie unvergleichlich bekannter und ihr klopfendes Eingangsmotiv Gegenstand zahlreicher Bildungswitze. Durch Nacht zum Licht: Ein strukturelles Werden von Moll zu Dur auf der Basis eines Motivs kennzeichnet die Sinfonie. Sie ist Hit von Wunschkonzerten und wurde als Mottostück des Faschismus mißbraucht. Der Dirigent Michael Gielen – immerhin ein Beethovenspezialist – jedenfalls meinte deshalb, daß sie nicht mehr zu retten ist.

Das Gegenteil haben zunächst die Aufführugspraktiker vom Schlage John Eliot Gardiners oder Roger Norringtons bewiesen, und der so oft abgenudelte Schwulst klang wie neu: Unerhört die Tempi, unerhört die Klangrelationen zwischen Streichern und Bläsern, unerhört die Artikulationen und unerhört die Durchsichtigkeit, mit der man auf einmal Mittelstimmen hörte. Das ungeheuer belastende Ineinander von Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte verbietet heute fast, das Werk einfach so zu spielen, es müssen Gründe hörbar werden: Ein bestimmter interpretatorischer Ansatz, eine bestimmte Programmgestaltung.

Nun dirigierte der Franzose Jean Bernard Pommier im Abonnementskonzert am Montag abend des Philharmonischen Staatsorchesters in der Glocke Beethovens Fünfte: Einfach so, muß man leider sagen. Pommiers nicht schlechte, aber beliebige und hemdsärmelige Wiedergabe wirkte eher laut, fast grob, arg streicherlastig, unausgewogen in den Instrumentengruppen, dramaturgisch oft gehetzt anstatt entwickelt. Es gab immer wieder Details, auch längere Abläufe, die überzeugten – immerhin dirigierte ein hervorragender Dirigent ein nun schon seit längerer Zeit hervorragendes Orchester – , aber das Ganze geriet nicht zu der Notwendigkeit einer Aufführung. Was freilich nicht heißt, daß das tapfere Staatsorchester, das nun auch die vollkommen abwegigen und unsäglichen Überlegungen über die Umgestaltung in eine GmbH über sich ergehen lassen muß, nicht beeindruckend gespielt hätte.

Die Koppelung mit weiteren Beethoven-Werken vergrößert diesen interpretatorischen Eindruck eher noch: Beethovens Violinkonzert spielte der – für Augustin Dumay eingesprungene – italienische dreißigjährige Wundergeiger Marco Rizzi: Wunderschön und wunderglatt war alles sprachähnliche erfolgreich getilgt, die edle Tongebung gleichbleibend. Perfektes Geigenspiel sicher, aber als romantisches Solokonzert, was Beethovens Werk noch lange nicht ist. Der Begleitung durch Pommier ist höchste Aufmerksamkeit und Genauigkeit zu bestätigen.

Ute Schalz-Laurenze