■ Gott sei Dank:
: Humphrey gibt Lebenszeichen von sich

Dublin (taz) – Humphrey lebt. Die britische Regierung hat vorgestern am Abend ein Foto veröffentlicht, auf dem der frühere Hauskater der Downing Street in Hanns-Martin-Schleyer-Pose mit einer aktuellen Tageszeitung abgebildet ist. Sein Aufenthaltsort wurde jedoch zu seinem eigenen Schutz nicht verraten. „Irgendwo in Südost-England“, hieß es lediglich.

Premierminister Tony Blair war in Beweisnot geraten. Die Gerüchte, er habe das elfjährige Tier umbringen lassen, weil der alte Kater nicht zu New Labour paßte, hatten sich in den vergangenen Tagen verdichtet. Der Tory-Abgeordnete Alan Clark, ein Vegetarier und Tierfreund, hatte Humphrey als „vermißte Person“ gemeldet. „Falls ich nichts von ihm höre, muß ich davon ausgehen, daß er auf der Flucht erschossen worden ist“, sagte Clark. Blair rechtfertigte sich und verwies auf Humphreys Nierenleiden, das durch die Hektik in der Downing Street immer schlimmer geworden sei. Humphrey sei jetzt an einem ruhigen Ort auf dem Land, versicherte Blair. Ein Journalist fragte: „Handelt es sich dabei um einen Friedhof?“

Der streunende Kater war 1989 in die Downing Street eingezogen. Margaret Thatcher duldete ihn, John und Norma Major verwöhnten ihn. Voriges Jahr war er sogar auf der offiziellen Weihnachtskarte der Tory-Regierung abgebildet. 1995 hatte er für Schlagzeilen gesorgt, als er voll drei Monate lang verschwunden war. Später stellte sich heraus, daß Humphrey versehentlich als Postpaket zur medizinischen Hochschule der Armee geschickt worden war, als er in einem Postauto Mittagsschlaf hielt.

Man hat ihm verschiedene Untaten anhängen wollen. So soll er ein Rotkehlchennest vor dem Fenster des Kabinettssaals geplündert haben, und auch die Entenküken der Königin gingen angeblich auf sein Konto. Nachweisen konnte man ihm freilich nichts.

Doch dann kam der verhängnisvolle Regierungswechsel im Mai. Zunächst traute sich Tony Blair nicht an die Ausweisung des populären Katers heran. Er gestand dem niederländischen Premier Wim Kok, es sei die schwierigste Entscheidung seiner bisherigen Amtszeit gewesen, Humphrey zu behalten. Da seit Heinrich VIII. aber stets eine Katze in der Downing Street residiert hat, mußte Blairs Frau Cherie das Tier trotz ihrer Katzenallergie telegen umarmen. Blair ernannte Humphrey sogar zum offiziellen Chef-Mäusefänger des Kabinetts.

Doch schon bald starteten die Blairs eine gezielte Rufmordkampagne: Humphrey leide unter einer Blasenschwäche und werde immer bösartiger. Und plötzlich war er verschwunden. Die Sache wurde zum Politikum. Das Ehepaar Major verkündete, es wäre humaner gewesen, den Kater einschläfern zu lassen, als ihn auf seine alten Tage aufs Land zu verbannen. Blairs Pressesprecher entgegnete darauf: „Wieder einmal hat sich gezeigt, wie herzlos und volksfern die Konservative Partei von heute ist.“

Die „Spin Doctors“ der Labour Party haben nach der ganzen Aufregung entschieden, daß ein neuer Hauskater Blairs Image durchaus nützen könnte. Man habe bereits ein bestimmtes Tier ins Auge gefaßt, doch die endgültige Entscheidung liege wie immer bei Blair, hieß es gestern.

Alan Clark, der vor kurzem empfohlen hatte, „600 IRA-Leute im Morgengrauen zu erschießen, damit Frieden in Nordirland herrscht“, ist mit der Erklärung über Humphreys Verbleib nicht zufrieden. „Die Labour-Behauptung, daß man Humphreys Aufenthaltsort zu seinem eigenen Schutz geheimhalten müsse, ist doch absurd“, sagte er. „Es könnte doch sein, daß die etwas ganz anderes verbergen wollen.“ Ralf Sotscheck