Das poppt, das Theater!

■ Nur ein Sack Kartoffeln: Der Karen Carpenter Fanclub tagt im Haus Hafenklang

Da darf man eindeutige Schlüsse auf die Musiksozialisation ziehen: Wenn sich eine Theatergruppe nach den Car-penters benennt, der Band, die charmant wie keine andere in ihrem Song „Calling Occupants Of Interplanetary Craft“den Kontakt zu Außerirdischen thematisiert hat und deren Plattencover stets von den tollsten Weichzeichner-Bildern geschmückt wurden, liegt die Vermutung nahe, daß ihre Macher in den Siebzigern großgeworden sind. Und Geschmack müssen sie natürlich auch haben. Wenn der Name des Karen Carpenter Fanclub dann auch noch dem Teil des Pop-Duos Tribut zollt, der auf so tragische Weise am Erfolg zerbrach und sich zu Tode hungerte, läßt das auch noch auf ein Faible für Außenseiterpositionen schließen.

Der Gruppenname ist somit gar nicht weit entfernt von der Thematik des gemeinsam geschriebenen Stücks, in dem es um Selbstverwirklichung und die Problematisierung von Lebensentwürfen geht. In Nur ein Sack Kartoffeln tingelt ein alterndes Musik-Duo (Harald Burmeister und Anja Vesper) samt Manager (Thomas Roth) durch Großbritannien, bis plötzlich einer von ihnen die Schnauze voll hat. Erzählt wird die Geschichte in drei Monologen aus Selbsteinschätzungen und Eigenwahrnehmungen der einzelnen, mitunter recht merkwürdigen Figuren.

Trotz offensichtlicher Spaßorientierung verfolgt Regisseur Götz Behnke durchaus ein kritisches Anliegen. Die beiden Untertitel „Perlen vor die Säue“und „Aus unserer Mitte geht heute keiner mehr verloren“versuchen, diese politische Motivation auf den Punkt zu bringen, die von Behnke auch mit sechs Millionen Arbeitslosen und Brecht-Zitaten kontextualisiert wird. Ganz klar: Christoph Schlingensief hat bei den Fanclub-Proben gelauscht.

Eine weitere Idee von Behnke ist die Idee der Öffnung zur Popkultur: „Es ist doch hirnrissig, daß das Theater verschont bleibt von dem, was draußen passiert.“Deshalb gastieren die Karen-Carpenter-Verehrer auch nicht auf einer traditionellen Bühne, sondern in den schnuckeligen Räumen des Hafenklang-Studios, in dem sonst eher Trommeln und Bässe zu Hause sind.

Geplant sind vorerst drei kostenlose Vorstellungen, eventuell folgen noch Auftritte im Kaifu-Art-Center und eine kleine Tour. Die nächste Produktion der erst seit vier Monaten gemeinsam fungierenden Formation wird voraussichtlich Hannelores Himmelfahrt von Gerhart Hauptmann sein. Und man darf darauf spekulieren, daß in ihrer Bearbeitung die Figur der Hannelore deutlich Karen-Carpenter-Züge trägt.

Jens Kiefer

Freitag, 28. November bis Sonntag, 30. November, jeweils 20.30 Uhr, Haus Hafenklang, Große Elbstraße 84