Zwei voll verschiedene Typen im mentalen Untergrund

■ Das Bremer Hip-Hop-Duo F.A.B. spielt seit der CD „Freaks“in der Liga der Großen / Betrachtungen über die Suche nach einer Schublade, lärmempfindliche Nachbarn und den Mut, den man braucht, um keine Hits zu landen

FlowinImmo telefoniert: „... und meine Nummer habt ihr von der Telekom-Auskunft oder was? Na, dann hattet ihr ja euren Spaß, und gönnt mir mein Privatleben. Alles klar? Kommt aber zu den Konzerten, ist cool, ciao.“Immo unterbricht die Verbindung und begleitet seine schwangere Freundin an die Tür. Sein Compagnon Ferris MC grinst unter seiner Wollmütze hervor und glänzt mit Stilblüten – post-pubertär und zwanghaft vulgär. Immo ist genervt, kocht Tee und reißt an seinem Sofa herum.

„Ich hab' das Handy nur wegen der Geburt gekauft, aber diese Idioten aus Lüneburg kriegen immer wieder die Nummer raus. Die rufen auch dauernd bei meinen Eltern an.“Alltag, seit Immo und Ferris alias F.A.B., die Freaks Association Bremen, die CD „Freaks“veröffentlichten und damit in der Liga der Großen mitspielen.

Jetzt ist die neue EP „Erich privat“erschienen. Die Vinyl-Fassung erscheint nächste Woche auf Immos Label Fat Ass Beats. 30 Minuten Hip Hop Beats und deutsche Raps mit extremen Ecken, F.A.B. haben mit Produzent Sebastian Kobs alle Möglichkeiten ihres WG-eigenen Studios ausgenutzt, aber ein Radio-Hit ist nicht dabei. „Das ist“, meint Immo, „realer deutscher Rap, nicht drei Strophen von drei Hit-Textern über eine gescheiterte Beziehung, die nicht der Rapper, sondern irgendwelche frustrierten 30jährigen hatten und deren Kinder das dann kaufen sollen.“

„Wir können auch zu einem 40jährigen Producer gehen und sagen, ,Hey, mach uns mal 'nen Hit für Viva'“, ergänzt Ferris. Und Immo fährt fort: „Das ist aber inhaltlich kein Hip Hop, sondern Pop-Musik. Die Schublade aber ist jetzt voll mit Tic Tac Toe, Wolf, Cappuchino, Schwester S. und Spektakulär. Wir müssen jetzt eine neue Schublade aufmachen – oder eigentlich gibt es die schon mit Massive Töne, Fünf Sterne Deluxe, Spex, Main Concept, Too Strong oder den Specialists.“

Immo berichtet von der ersten Promo-Tour als Support für die Bloodhound Gang: „Die Organisation war beschissen, alle waren gestreßt. Die Guano Apes wurden auch noch von ihrem Label in die Tour eingekauft, aber ein paar Leute sind bei uns immer abgegangen und wir haben unsere Tapes verschenkt. Aber das ist eine Sache, die man als Erfahrung verbuchen kann. Es gibt ja auch freakigere Agenturen wie Groove Attack, die unser Vinyl vertreiben. Das ist ein mentaler Underground, und der funktioniert wunderbar. Ich sage nur, ,Guck dir an, wie ich es mache und welche Komponenten für dich auch funktionieren', aber ich sage nicht, ,Mach auch deutschen Hip Hop'. Ich will nur, daß die Leute wieder mehr nachdenken. Wir machen uns viele Gedanken über das eigene Leben.“

Seit einem Jahr wohnen F.A.B. mit Studio, Produzent und Band in einem Haus, das Immos Eltern gehört. „Als wir mit Sony verhandelt haben, war das unser Fernziel, daß wir unser Studio einrichten können, und das Haus hat sich angeboten. Das ging aber nicht mehr, als ein Nachbar um drei Uhr morgens bei mir war, als ich dem Produzenten Vicente noch was vorspielen mußte. Die machen jetzt nachts auch Rhythmusgruppe mit Stöckelschuhen an die Wand und so.“

Und Immo erinnert sich: „Ich hatte immer Glück, daß meine Eltern meine Musik unterstützt haben. Ich muß mich jetzt mit Sachen rumschlagen, mit denen Ferris sich sein Leben lang rumschlagen mußte. Ich hatte immer warmes Essen von Muttern und konnte mich in meiner Freizeit mit ganz anderen Sachen beschäftigen. Darum sehe ich meine Texte auch eher in der Tradition von Rappern wie Common Sense oder De La Soul.“

Ferris MC, von Szene Papst DJ Pussyweed als „Axl Rose mit Kasperlmütze“gedisst, kommt aus anderen Verhältnissen. „Ich komme aus Tenever, mußte meine Talente immer durchsetzen. Bei mir ging's immer darum, einen Schein zu machen, damit du in der Gesellschaft klar kommst. Also hab ich den Schein gemacht, aber nebenbei immer noch die Musik. Am Anfang aber immer noch mit englischen Texten, obwohl ich nicht mal ,Grass' buchstabieren konnte. Das ist der Punkt, wo sich unsere Texte gewaltig unterscheiden.“„Was vorher den Reiz ausgemacht hat, daß wir zwei voll verschiedene Typen sind, hat sich damit etwas rausgerechnet, daß wir jetzt zusammen wohnen. Ich habe mit meinem Co-Produzenten Sebastian auch noch eine andere Band, mit richtigen Drums und Bass. Ich brauche dabei auch von der Produktionsseite ein Gegenstück wie auf der Rap-Seite, mit dem ich mich hochschaukeln kann. Ich muß meine Möglichkeiten, die ich jetzt habe, so extrem ausnutzen, daß ich das Leuten mit einem anderen Erfahrungshorizont auch vermitteln will. Immerhin haben wir das Jahr drei vor 2000.“

StErn