Erfolg gegen Gebühren lähmt Studis

■ Die bundesweite Protestwelle an den Universitäten rauscht an Bremen vorbei / RCDS wirft ASten „Tatenlosigkeit“vor

Fünf Stunden juristisches Staatsexamen in Bürgerlichem Recht sind kein Spaziergang. Wenn die Raumsituation so ist, wie am Montag im Bibliothekssaal der Universität, kann das ganze zur Tortur werden. Mehr als 90 Studierende drängelten sich an zu wenigen Tischen und auf der Warteliste für die zwei Toiletten. Das defekte Deckenlicht flackerte, der Boden knarrte laut ob der allgemeinen Unruhe. „Es war Chaos“, faßt eine betroffene Studentin zusammen. „Da waren einfach zu viele Menschen in dem Raum.“Uni-Alltag in Bremen ist kaum anders als anderswo.

Doch während inzwischen 40 Hochschulen in ganz Deutschland streiken, ist in Bremen alles ruhig. In der Uni-Cafeteria im GW2-Gebäude herrscht Publikumsverkehr wie immer. Die 90 Studierenden, die an diesem Morgen mit dem AStA zur bundesweiten Demo nach Bonn gefahren sind, reißen kein großes Loch in den Campus-Alltag.

Daß überall gestreikt wird, hat Jurastudentin Franziska, 3. Semester, noch gar nicht mitbekommen. Falls die Proteste auch in Bremen losgehen, ist sie dafür, daß der Protest außerhalb der Uni stattfindet, „damit das mehr Menschen mitbekommen“. Ihre Kommilitonin Tanja aber ist bestens informiert. „Es wäre angebracht, etwas zu machen“, sagt sie, „aber es müßte diesmal besser organisiert werden als die Proteste gegen die Einschreibegebühren“. Ein Psychologie-Diplomand sagt: „Ich wundere mich, daß hier nichts läuft.“

Tatsächlich hat der Erfolg bei der Verhinderung der Einschreibegebühren in Bremen nicht dazu geführt, daß sich Studierende nun mehr politischen Einfluß zutrauen. „Wir waren wohl zu früh zu erfolgreich“, sagt Christian Wichert aus dem hochschulpolitischen Referat des Uni-AStA. Mit dem Erfolg in Sachen Einschreibegebühren sei der Protestwillen in Bremen zusammengebrochen.

„Natürlich sind hier auch die Seminare überfüllt, aber es brennt den Leuten offenbar nicht ganz so schlimm unter den Füßen, wie anderswo“, so Wichert. Trotzdem kündigen die Asten von Uni und Hochschule an, daß es in Bremen wieder zu Streiks kommen könnte. Sie fordern ein öffentliches Versprechen der SPD, daß die Lücke von 6,75 Millionen Mark, die der Verzicht auf die 100-Mark-Gebühr im Bremer Bildungshaushalt reißt, aus anderen Ressorts gegenfinanziert wird.

„Totales hochschulpolitisches Versagen“wirft der Landesvorsitzende des Rings Christlich Demokratischer Studenten, Claas Rohmeyer, derweil den gewählten Bremer Studi-Vertretungen vor. Während in der ganzen Bundesrepublik Studenten gegen die miserable Lage an den Hochschulen vorgingen, seien die Asten in Bremen tatenlos. Die Asten schießen in einem offenen Brief zurück: Sie, und nicht der CDU-Ableger, hätten die erfolgreichen Proteste gegen die Einschreibegebühren organisiert. Außerdem habe der RCDS sein Mitspracherecht bei den Verhandlungen um das neue Hochschulrahmengesetz nicht ausgenutzt. Nur in einem sind sich RCDS und AStA einig: die Studis seien schwer zu mobilisieren. Den Grund für die Lethargie sieht der RCDSler in der AStA-Politik der letzten Jahre.

Petra Scharrelmann aus dem Uni-AStA geht vor allem die Anspruchshaltung ihrer Mitstudierenden auf den Wecker. „Das ist genau diese Konsumhaltung, die wir kritisieren, wenn jetzt von uns erwartet wird, daß wir hier loslegen“, sagt sie. „Wir sind jederzeit bereit, einen neuen Streik mitzutragen, wenn die Leute dahinter stehen.“

Informatik-Erstsemester Thorsten ist einer der wenigen, der sich gegen einen Streik ausspricht: „Warum sollen wir streiken? Wir haben doch erreicht, was wir wollten, als die Einschreibegebühren verhindert wurden.“Am Mittwoch hatte die Uni-Oldenburg beschlossen, in der kommenden Woche zu streiken. Am Mittwoch findet auch an der Bremer Uni eine Vollversammlung statt. Christoph Dowe