■ Vorschlag
: Aus dem Rahmen: Eine „Theatrale Installation“ des Theaters Thikwá

Am Anfang gibt es einen Bilderklärer. Der zeigt auf Knie, Fuß oder Kopf des Mannes, der in der Badewanne liegt. Weil die Badewanne aber Querformat hat, während die projizierten Bilder hochkant stehen, sieht man nur schmale Stücke des Badenden, die Wolfgang Fliege mit hastigen Worten ergänzt.

Den weiteren Abend muß man sich die Bilder selbst weiterdenken, ergänzen, in Zusammenhänge bringen. Denn bei Fragmenten bleibt es in dieser Installation „blick fällt“ des Theaters Thikwá. Anders ausgedrückt: Es geht um die Unterscheidung zwischen dem, was in den Rahmen paßt, und dem, was übersteht.

Der Untertitel „Theatrale Installation“ ist wörtlich zu nehmen: Vier Stahlrahmen stehen im Raum: Aufrecht bilden sie Tür, Tor, Fenster, umgestürzt Bett, Kiste, Sarg. Aber die bildlichen Assoziationen sind weniger wichtig als ihre physische Überwindung. Während sie in alle Richtungen durchstiegen und durchklettert werden, entsteht ein langsamer Bewegungsfluß quer durch den langen Raum.

Es scheint dabei, als ob der Regisseur Peter Baer Sätze wie „Das kannst du nicht, das ist zu schwer für dich“, dahingesagte Sätze, die im täglichen Umgang mit Behinderten oft zu hören sind, wörtlich genommen und in seine Versuchsanleitung übersetzt hätte. Schweres, Stahlgewichte müssen bewegt werden, und es ist ausgerechnet die kleinste Schauspielerin Martina Nitz, deren Beine zu schwach sind, um sie zu tragen, die sich an einem der kantigen Tore hochzieht und ihn der Länge nach umstürzt. Die kalkulierte Katastrophe als Erfahrungszuwachs.

Tatsächlich muß auch das Publikum in dieser zweiten Produktion der Reihe „kurz weil kurz“ für einen Theaterabend Ungewohntes lernen. Denn es fehlt die übliche Lenkung des Blicks, die Fokussierung von Interesse und Aufmerksamkeit. In der einen Ecke manövriert sich Peter Pankow, gekleidet wie ein Schmied, mit den schweren Stahlplatten fast selbst ins Aus, in der Mitte werden mit leiser Stimme und bruchstückhaft Texte gelesen, am anderen Ende des Raums schließlich fließen drei langsame Bewegungsstränge allmählich zusammen.

Diese Irritationen auszuhalten, bis das Disparate seine eigene Ordnung gefunden hat, ist eine Übung, die man am Ende zusammen mit den Spielern bestanden hat. Katrin Bettina Müller

„blick fällt“, bis zum 29.11., jeweils 19.30 Uhr in den Sophiensælen, Sophienstraße, Berlin-Mitte