Alte Finanzzentrale billig verkauft

■ Die Finanzverwaltung verkauft ihr früheres Dienstgebäude für „unter 50 Millionen Mark“. Experten finden den Preis zu niedrig

Die Finanzverwaltung verkauft ihr ehemaliges Dienstgebäude an der Nürnberger Straße in Schöneberg – und das möglicherweise unter Wert. Denn der Verkaufspreis soll nach Informationen der taz unter 50 Millionen Mark betragen. Legt man den durchschnittlichen Marktwert von Büroimmobilien in der Ku'damm-Gegend zugrunde, hätte die Verwaltung dagegen 60 Millionen Mark erzielen können. Nach Schätzung eines Mitarbeiters des Immobilienentwicklers Roland Ernst wären selbst rund 100 Millionen nicht unrealistisch.

Der Kaufvertrag für das 1931 errichtete „Haus Tauentzien“ liegt dem Abgeordnetenhaus bereits vor, bedarf aber laut Finanzverwaltung nicht der Zustimmung der Parlamentarier. Demnächst soll der Vertrag unterzeichnet werden. Wer das fünfgeschossige Gebäude kaufen will, war nicht zu erfahren. „Zu Verträgen äußern wir uns grundsätzlich nicht“, erklärte Dirk Wildt, Sprecher von Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD). Seit 1991 verlagert die Verwaltung ihre Büros nach und nach in das neue Domizil an der Klosterstraße (Mitte).

Nach Einschätzung Dietrich Ribberts vom Gutachterausschuß für Grundstückswerte, einem unabhängigen Fachleutegremium, lassen sich ältere Bürogebäude in guter Lage für rund 4.000 Mark pro Quadratmeter Nutzfläche verkaufen. Das würde im Falle der Nürnberger Straße etwa 60 Millionen Mark ergeben.

Ein Mitarbeiter von Roland Ernst berechnet den Wert anders, indem er die möglichen Mieteinnahmen des Käufers zur Gundlage der Schätzung macht. Daraus ergibt sich dann ein Verkaufswert des Gebäudes von etwa 100 Millionen Mark. Beide Spezialisten betonen allerdings, daß der Zustand und der Anteil an vom Käufer nutzbaren Flächen des ihnen nicht näher bekannten Gebäudes eine maßgebliche Rolle für die Wertermittlung spielen.

Der möglicherweise zu niedrige Erlös könnte dadurch zustandekommen, daß das Land Immobilien verkaufen will, um die gigantischen Löcher im Haushalt zu stopfen. Die potentiellen Investoren wissen, daß der auf Fugmann- Heesing lastende finanzielle Druck groß ist und versuchen, den Preis zu senken.

Das Land ist auch deshalb in der Bredouille, weil von 1,2 Milliarden Mark geplanter Immobilienerlöse für 1997 erst 400 Millionen hereingeholt wurden. Außerdem wirft der Senat seine Grundstücke und Häuser just zu einem Zeitpunkt auf den Markt, da ohnehin ein Überangebot an Bürogebäuden herrscht. So stehen viele der neu errichteten Prachtbauten in der Friedrichstraße und an anderen Orten leer. Für ungefähr 1,2 Millionen Quadratmeter Büroflächen suchen die Investoren noch Nutzer.

Zwei weitere Immobilien in der Kloster- und der Krausenstraße will die Finanzsenatorin demnächst versilbern, ein Gebäude in der Storkower Straße wurde gerade in der Zeitung ausgeschrieben. Hannes Koch