Frischer Wind aus Norden

Bei der tageszeitung kracht es: Der Hamburger Lokalteil der taz sucht einen „Verleger mit Weitblick“, während die taz berlin neue Wege beschreitet  ■ Aus Berlin Gerd Nowakowski

Es muß wohl am Hamburger Novemberwetter liegen. „Auffrischende Winde aus Nord“, hieß es vor fast genau drei Jahren, am 3. November 1994, im Wetter-Kasten der taz hamburg. Darunter prangte dann die Schlagzeile „Warnstreik bei der taz hamburg“. Von „drohendem Kahlschlag“ und erzwungenem „Personalabbau“ mußten die LeserInnen der taz hamburg lesen. Die nachfolgenden Seiten blieben weiß bis auf den Stempel: „Streik“.

„Trübe, ganz trübe, aber mit auffrischenden Winden aus dem Norden“, hieß es nun gestern erneut im Wetter-Kasten. Und wieder war auf den Seiten der taz-Regionalausgabe von Stellenabau und Kündigung und „runtergerechneten Erlösen“ die Rede. Vor Überraschung blieb den beiden taz-Geschäftsführern das Essen auf dem Teller, als sie beim „Nobel-Italiener im Hause der Berliner taz-Zentrale, ,Sale e Tabacchi‘“, wie jeden Tag die „vom Betrieb großzügig ausgegebenen Essensmarken“ verpraßten, wie die Hamburger Redaktion enthüllte.

„Verleger mit strategischem Weitblick“ gesucht, hieß es auf der Titelseite. Abgemacht, war die spontane Reaktion der Geschäftsführung und des Vorstands der taz- Genossenschaft; ein Schritt voran.

Es kracht mal wieder. Das ist nichts Neues in einem Unternehmen wie der taz, bei der das größte Kapital immer noch die engagierten MitarbeiterInnen sind. Trotzdem liegen Welten zwischen dem Warnstreik im November 1994 und der jetzigen Verlegersuche. Der Krach ist nur Ausdruck dafür, daß sich die taz verändert hat. Denn neue Wege zu gehen, ist seit Jahren überfällig, soll die wirtschaftlich schwachbrüstige taz endlich ein Unternehmen werden, das nicht mit ungedeckten Wechseln auf bessere Zeiten arbeitet, sondern nur das Geld ausgibt, das vorher verdient wird.

In diesem jahr ist die taz dabei einen erheblichen Schritt vorangekommen. Die taz berlin mit einem Jahresumsatz von nahezu 32 Millionen Mark hat alle Chancen, nach mehreren verlustreichen Jahren das Jahr 1997 mit schwarzen Zahlen abzuschließen. Die Hamburger taz hingegen hat bereits im September erneut einen Verlust von 110.000 Mark eingefahren – wie auch in den vorangegangenen Jahren. Dies freilich bei einem Gesamtumsatz von 1,4 Millionen Mark – weniger als einem Zwanzigstel des Umsatzes der taz berlin. Um so dringlicher erscheint es, die Kosten endlich in Einklang mit den Einnahmen zu bringen.

Die Leistungen der beiden Nord-Lokalteile in Hamburg und auch Bremen soll dabei nicht geschmälert werden. Zwei Drittel aller LeserInnen in der Region greifen schließlich wegen des Zusatzangebots der Lokalteile zur taz. Diese Leistungen werden von der taz berlin durch eine jährliche Transferzahlung von jeweils 450.000 Mark an Hamburg und Bremen ausgeglichen. Die taz berlin und die Lokalteile sitzen deshalb im selben Boot: nur gemeinsam können wir unsere Zeitung voranbringen.

Wer sich nicht bewegt, hat schon verloren, gilt deshalb für die taz. Und wo sich etwas bewegt, da kracht es eben. Neues Denken funktioniert am besten vor Ort mit einer Belegschaft, die sich verantwortlich fühlt. Der Bremer Lokalteil, der mit denselben Schwierigkeiten kämpft, handelt seit Jahren eigenverantwortlich und hält die Wirtschaftspläne ein. Dabei sind die Bremer bei einer vergleichbaren Leistung personell deutlich schlechter ausgestattet.

Die unbefriedigenden Erlöse in Hamburg zu verbessern, liegt im wesentlichen in Hamburger Hand. Sämtliche Einnahmen aus dem Anzeigenbereich stehen den Hamburgern selber zu. Auch wenn der Lokalteil mehr Exemplare verkauft oder Abonnements wirbt, kommt der Ertrag ungeschmälert der Hamburger Kasse zugute.

Wer von „ausbaufähiger Position im rot-grünen Marktsegment“ schreibt, wie gestern auf der Hamburger Titelseite, der sollte sich selbst ernst nehmen und diese Chancen nutzen.

Das tut die Hamburger Redaktion bislang nicht. Dort wird seit langem beklagt, daß der Geschäftsführer der taz hamburg in Berlin sitzt – was zweifellos die schlechtere Lösung ist als ein vor Ort präsenter Geschäftsführer. Zugleich wird der ferne Geschäftsführer immer dann zum Sündenbock, wenn in Berlin Entscheidungen fallen, die in Hamburg nicht behagen. Die Berliner Geschäftsführung als Jobkiller zu geißeln, ist eben der leichteste Weg.

In diesem Sinne kann der taz etwas Besseres als „auffrischender Wind aus Norden“ überhaupt nicht passieren.

Der Autor ist Mitglied des taz-Vorstands