Ursache: Schlamperei

■ Kaputte Bremse führt zu Eisenbahnunglück

Schlamperei war offenbar die Ursache für das katastrophale Eisenbahnunglück bei Elsterwerda am Donnerstag vergangener Woche. Das teilte die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen gestern nach einer Sitzung des Verkehrsausschusses mit. Bei einem Lokwechsel 120 Kilometer vor dem Unglücksort war das Bremssystem der neuen Lok nicht korrekt mit der Bremsanlage des restlichen Zuges verbunden worden. So konnte nicht – wie üblich – jeder einzelne Waggon bremsen. Die 22 mit 1.800 Tonnen Benzin beladenen Kesselwagen schoben die Lokomotive Richtung Elsterwerda.

Bei einer Überprüfung nach dem Lokwechsel war sogar bemerkt worden, daß das Bremssystem nicht einwandfrei funktionierte. Trotzdem wurde die Weiterfahrt genehmigt. Mit Tempo 90 rollte der Zug auf Elsterwerda zu. Als der Lokführer das Signal zum Bremsen erhielt, war es zu spät. Der Zug raste auf das Bahnhofsgebiet. Ein Feuerwehrmann wurde bei den Löscharbeiten von einer einstürzenden Mauer erschlagen, ein weiterer erlag seinen schweren Verletzungen am Mittwoch im Krankenhaus.

Der Unfall von Elsterwerda reiht sich in eine Kette von Eisenbahnunglücken ein, die auf menschliches Versagen und Schlamperei zurückzuführen sind. Gleich zweimal, im Frühling vergangenen Jahres und im letzten Winter, stießen in Sachsenhausen bei Frankfurt zwei Züge zusammen, weil ein Signal mißverständlich aufgestellt war. Den Zugführern war nicht klar, ob das Zeichen für ihr eigenes oder ein benachbartes Gleis galt. Beim zweiten Unfall explodierten zwei Benzinwaggons. Bei Schönebeck bei Magdeburg kippte im Sommer 1996 ein Zug aus den Schienen. Die Ladung, giftiges Vinylchlorid, verseuchte das Grundwasser. Die Untersuchung des Unglücks ergab, daß einige Wagen ohne Zulassung fuhren. Im Juli befestigten Bahnmitarbeiter eine Wagenladung scharfkantiger Rohre nur mit Textilband. Während der Fahrt rutschten die Rohre in Neustadt bei Marburg vom Waggon; sie schlitzten einen passierenden Personenzug auf. Sechs Menschen starben. Verantwortlich in Neustadt, Schönebeck und auch in Elsterwerda war Peter Münchwander, das für den „Fahrweg“ zuständige Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn. Die verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion der Bündnisgrünen, Gila Altmann, mahnt einen sorgfältigeren Umgang mit Gefahrguttransporten an: „Die Bahn steht unter einem ungeheuren Rationalisierungsdruck. Diesen Druck gibt die Bahn an ihr Personal und ihre Lokführer weiter.“ Sascha Borrée