■ Vor 50 Jahren herrschte in den USA ein Klima besinnungsloser Angst vor dem Kommunismus. In Washington begannen die Verhöre über die Infiltration Hollywoods durch die Sowjetunion. Die vergiftende Gesinnungsschnüffelei schuf Denunzianten, Dissidenten, Hysteriker – aber keine Helden Von Niels Kadritzke
: Kalter Krieg in Hollywood

Ob Fred Zinnemann, Elia Kazan, Humphrey Bogart, Lauren Bacall, John Wayne oder Gary Cooper – alle, die im Showbiz seinerzeit den Ton angaben, schienen angesteckt von der Furcht vor dem Weltkommunismus. Unbeschadet blieb niemand – die Helden waren gar nicht so edel, wie es schien; die Feiglinge menschlicher als bisher bekannt.

Nicht alle, die sich an den Western „High Noon“ erinnern, wissen von Fred Zinnemann. Dabei hat Zinnemann den Klassiker gedreht, den alle wahren Fans auswendig kennen: der alternde Gary Cooper als Sheriff und die junge Grace Kelly, deren Karriere mit diesem Film begann. In dem Westernstädchten trifft ein Gangsterquartett ein, das mit dem Sheriff eine Rechnung offen hat. Gary Cooper stellt sich dem Bösen entgegen. Alle anderen haben sich ängstlich verdrückt. Der Sheriff bleibt Sieger, natürlich. Doch nach dem Showdown wirft er seinen Mitbürgern den Sheriffstern vor die Füße.

„High Noon“ wurde 1951 gedreht und kam ein Jahr später in die Kinos. Fred Zinnemann war damals 45. Im März 1997 starb er im Alter von 90 Jahren. Sechs Wochen vor seinem Tod gab er sein letztes Interview*. Der BBC-Autor Adam Levy fragte ihn, was „High Noon“ damals zum Politikum machte. Zinnemann antwortete: „Es war auf dem Höhepunkt der McCarthy-Ära, die Atmosphäre war also höchst politisiert. Das gilt erst recht für Hollywood, wo man alles irgendwie übertreibt oder dramatisiert. Die Spannungen entstanden Ende der vierziger Jahre und wurden um 1950 herum noch intensiver.“

Die Zeit nennen wir im Rückblick die McCarthy-Ära. Die Atmosphäre, die sich im Zuge der Ost-West-Konfrontation in der amerikanischen Gesellschaft zusammenbraute, war wie ein Kalter Bürgerkrieg. Am heftigsten wurde er von ehrgeizigen Politikern geschürt, die in der Provinz und auf dem rechten Flügel der Republikanischen Partei zu Hause waren. Ihr Shooting Star war ein Senator aus Wisconsin: Joseph McCarthy, der den Vorsitz im Senatsausschuß zur „Untersuchung un- amerikanischer Umtriebe“ eroberte.

Der Zynismus von Karrieristen erklärt noch nicht, warum sie mit einem „inneren Feind“ Politik machen konnten. Das Drohbild von „un-amerikanischen Elementen“, von „Agenten fremder Mächte“ bediente die emotionalen Bedürfnisse vieler Durchschnittsamerikaner, die während des Zweiten Weltkriegs im Grunde Isolationisten geblieben waren. Ihnen redeten die McCarthy-Leute ein, Roosevelts Bündnispolitik habe nur den Russen geholfen, die jetzt ihre heile Welt bedrohten.

Auch Zinnemann verweist auf diese hinterwäldlerischen Reflexe: „Zum Teil hingen die faschistischen Tendenzen mit diesem Isolationismus zusammen: Wir leben in der großartigsten Epoche, wir wollen mit gar nichts anderem zu tun haben als mit dieser amerikanischen Lebensweise.“

Begonnen hatte der Kalte Bürgerkrieg im Herbst 1947. Im Oktober begann im Repräsentantenhaus das „House Committee on Un-american Activities“ (HUAC) seine Anhörungen über die kommunistische Infiltration der US-Filmindustrie. Im Lauf der Jahre nahmen sich das HUAC und der McCarthy-Ausschuß den gesamten Staatsapparat vor: Ministerien und Bundesbehörden, den Diplomatischen Dienst, am Ende sogar die Armee.

Inspiriert war die Kampagne von der Bundespolizei FBI und ihrem Präsidenten Edgar Hoover. Für den waren die gefährlichsten Feinde vor allem die verkappten Kommunisten. Deshalb forderte er alle Bürger auf, seiner Behörde alle Symptome des Subversiven zu melden, auch aus dem eigenen Freundeskreis. Die Warnung vor der Unterwanderung der Gesellschaft und des American way of life hatte mit der internationalen Entwicklung zu tun. Hoovers Auftritt vor dem HUAC erfolgte zwei Monate, nachdem die Truman-Doktrin am 12. März 1947 offiziell den Kalten Krieg erklärten. Die Machtergreifung der Kommunisten in Prag, die Berliner Blockade und der Koreakrieg spitzten den Ost-West-Konflikt immer weiter zu. Daß die Kommunistenfurcht in der amerikanischen Gesellschaft paranoide Züge annehmen konnte, lag freilich auch am bizarren Charakter des FBI-Präsidenten. Der brachte es fertig, die unbedeutende KP der USA zu revolutionären Größe aufzupumpen, indem er hochrechnete: 1917 sei in Rußland auf 2.277 Einwohner ein Kommunist gekommen, in den USA von 1.947 liege das Verhältnis bereits bei 1814 zu eins.

Die Kommunistendichte als Chiffre für einen drohenden Umsturz mußte die Aufmerksamkeit auf die angeblichen Gefahrenschwerpunkte lenken. Beispielsweise Hollywood. Das Zentrum der US-Filmindustrie war seit den dreißiger Jahren neben New York zum wichtigsten Platz der linken Intelligenz geworden. Hier waren viele europäische Künstler zugewandert, darunter viele Emigranten, die vor Hitler geflohen waren. Und seit der Kriegsallianz mit der Sowjetunion wurde es in Hollywood fast zur intellektuellen Mode, der Ortsgruppe der KPdUSA beizutreten.

Den rechten Republikanern und Organisationen wie der „American Legion“ war jeder verdächtig, der sich für die falschen Ziele der Roosevelt- Ära eingesetzt hatte. Für Zinnemann trug diese Furcht gespenstische Züge: „Die Atmosphäre wurde zu einem Klima der Hysterie, in dem die Menschen nicht mehr rational dachten. [...] Nicht daß es keinen Anlaß gegeben hätte: Es liefen schon konspirative Dinge, die langfristig allerdings aussichtslos waren. Doch die Leute reagierten übernervös, als sich Alger Hiss, ein hoher Beamter im Außenministerium, tatsächlich als Kommunist herausstellte. Man dachte, wenn einer so hoch in der Regierung landen kann, muß es eine Menge Kommunisten unter unseren Betten geben.“

Daß „High Noon“ in diesem Klima zur politische Aussage werden mußte, ist dem Regisseur erst nachträglich klargeworden. Sein Drehbuchautor Carl Foreman hatte die Handlung bewußt als Parabel auf seine Erfahrung mit dem HUAC angelegt, was Zinnemann nicht wußte, denn einen politischen Film hatte er nicht im Sinn: „Für mich war es ein Film über das persönliche Gewissen, und über die verschiedenen Stufen von Kompromissen. Da gibt es einen Mann, der ein totaler Feigling ist, dann einen anderen, der sagt: Ich würde gerne mitmachen, aber nicht allein. Und schließlich die Figur des Sheriffs selbst, der bereit ist, alle Folgen auf sich zu nehmen. Was ihn zum Helden macht, oder zum Idioten – je nachdem, wie man es sehen will.“

Was Zinnemann als menschliche und nicht explizit politische Botschaft sah, verweist auf eine Dimension der McCarthy- Ära, die im Rückblick die weitaus interessanteste ist: auf die Frage nach der persönlichen Haltung der Verdächtigten und Denunzierten, wie auch der Denunzianten, also der Politiker und ihrer formellen Ermittler und informellen Mitarbeiter. Auf die Frage also nach persönlicher Stärke und Schwäche, nach Mut und Feigheit, Integrität und Opportunismus.

Die Antworten geben Aufschlüsse darüber, wie gesellschaftlicher Druck auf Menschen wirkt. Warum er die einen verformt, die anderen bricht, manche wiederum widerstandsfähiger macht. Warum er Verräter und Opportunisten schuf. Und nur wenige Helden, die indes aus anderer Perspektive wie Idioten wirken.

Auch unter den Opfern der McCarthy-Zeit, die zur Legende wurden, lassen sich kaum Helden ausmachen. Die „Hollywood Ten“ waren die ersten, die das HUAC der Öffentlichkeit als Agenten der roten Verschwörung vorführte. In den Hearings vom Herbst 1947 stellte sich jedoch sofort heraus, daß der Ausschuß als Arm des FBI fungierte, das seit 1935 über ein lückenloses Bild der KP-Sektion Hollywoods verfügte. Die war unterwandert wie ein Maulwurfshügel, ein FBI-Agent war sogar für die Ausgabe der jährlich erneuerten Parteiausweise zuständig, die alten lieferte er direkt an Hoover.

Der Auftritt von Zeugen aus Hollywood war also für die Ermittlungen völlig unerheblich. Der Zweck war, sie öffentlich vorzuführen: entweder als Kommunisten, die durch Aussageverweigerung ihre Staatsfeindschaft demonstrierten, oder als reuige Sünder, die ihre Umkehr nachweisen konnten, indem sie „Namen nannten“.

Die erste Gruppe waren die „hostile witnesses“. Diese „unfreundlichen Zeugen“ konnte man wegen Mißachtung des Kongresses ins Gefängnis schicken, in jedem Fall gerieten sie auf die „schwarze Liste“ der Filmindustrie. Die zweite Gruppe waren die „friendly witnesses“. Sie konnten sich von ihrer Vergangenheit freikaufen und ihre berufliche Zukunft retten. Der Ausschuß nannte dies „Kooperation“.

Im Rückblick ist man versucht, die freundlichen Zeugen als die Schurken, die unfreundlichen Zeugen als die Helden zu sehen. In Wirklichkeit gab es eine differenzierte Skala von Verhaltensweisen: von sturen Nonkonformisten über wackere oder schlappe Liberale bis zu glatten Karrieristen; und es gab auch Mitläufer des Zeitgeistes, die wir lieber als Leinwandhelden in Erinnerung behalten würden.

Humphrey Bogart zum Beispiel. Zusammen mit Lauren Bacall war er an der Spitze der Demonstranten marschiert, die in Washington gegen die ersten Hollywood-Hearings protestierten. Doch kaum hatten die FBI-Informanten bewiesen, daß die „Hollywood Ten“ Kommunisten waren, beteuerte Bogart: „Ich verabscheue den Kommunismus wie jeder anständige Amerikaner... Ich bin nach Washington gegangen, weil ich glaubte, Amerikaner würden ihrer verfassungsmäßigen Rechte beraubt. Das war der einzige Grund. Die Reise war ein abwegiges, ja ein törichtes Unternehmen...“

Bogart hatte somit den „Hollywood Ten“ seine Solidarität nur unter der Voraussetzung gewährt, daß sie keine KP- Mitglieder waren. Damit teilte er die entscheidende Prämisse des McCarthy-Lagers: Die Grundrechte gelten nur für echte Amerikaner, nicht jedoch für „un-amerikanische“ Subjekte.

Die McCarthy-Atmosphäre ließ Bogart wie einen normalen, auf Geld und Karriere bedachten Menschen reagieren. Daß Leute wie er um ihre Privilegien fürchten mußten, lag an der Macht ihrer Arbeitgeber. Noch kurz vor den Hollywood-Anhörungen hatte Eric Johnston, der Präsident der Motion Picture Association of America, erklärt: „So lange ich lebe, werde ich niemals bei einer ,schwarzen Liste‘ für die ,Un-Amerikanischen‘ mitmachen.“ Doch als der Kongreß die „Hollywood Ten“ ins Gefängnis schickte, gerieten die Filmproduzenten in Panik. Sie beschlossen, allen enthüllten Kommunisten zu kündigen.

Das McCarthy-Lager wäre ohne den vorauseilenden Gehorsam der Filmindustrie niemals so erfolgreich gewesen. Der Opportunismus der Studios ging vor allem zu Lasten der Screenwriter. Die Drehbuchautoren waren die Berufsgruppe, unter denen die Denunziation die meisten Opfer forderte. Daß viele von ihnen literarische Erfahrungen oder Ambitionen hatten, schuf ein besonderes Berufsproblem, das Arthur Schlesinger so beschrieben hat: „Der Hollywood-Autor hat das Gefühl, sich verkauft zu haben. Seine ernsthafte Arbeit hat er aufgegeben, weil er lieber dicke regelmäßige Honorarschecks kassiert. Doch er nimmt es der Gesellschaft übel, daß sie ihn korrumpiert... Also glaubt er, sich einen Ablaß verschaffen zu können, indem er sich an der kommunistischen Bewegung beteiligt, so man sich im Mittelalter von Wandermönchen die Vergebung aller Sünden erkaufen konnten.“

Schlesingers Theorie des schlechten linken Gewissens trifft für viele Drehbuchautoren zu, aber gewiß nicht für Dalton Trumbo, der unter den „Hollywood Ten“ der berühmteste und bestbezahlte Autor war. 1947 wurde er von Metro-Goldwyn- Mayer unverzüglich gefeuert, als er vor dem HUAC die Aussage verweigert hatte.

Trumbo war 1943 – als Roosevelt und Stalin Alliierte waren – in die KPdUSA eingetreten, ohne seinen Kopf gegen das Parteibuch einzutauschen. Da er jahrelang als Bäcker gearbeitet hatte, zeigte er auch keinerlei Demut gegenüber einem abstrakten Proletariat. Sein Credo lautete vielmehr: „An der Arbeiterklasse interessiert mich allein die Frage, wie man möglichst schnell aus ihr rauskommt.“

Trumbo hatte keinerlei Neigung zum Heroismus. Allenfalls war er ein „Held wider Willen“. Auf seine Grundrechte berief er sich, um möglichst ungeschoren davonzukommen. Aber der professionelle Pragmatiker fiel auch nicht um, als er ins Gefängnis mußte. Andererseits hat Trumbo die Zeit der „schwarzen Liste“ relativ gut überstanden. Sein Talent war so begehrt, daß er zum meistbeschäftigten Schwarzarbeiter Hollywoods wurde. Jahrelang arbeitete er unter Pseudonym und damit für die Studiobosse höchst kostengünstig.

Auch der Drehbuchautor von „High Noon“ war kein lupenreiner Held. Carl Foreman war nach dem Hitler-Stalin-Pakt von 1939 aus der Kommunistischen Partei ausgetreten. Als Exkommunist wurde Foreman im Herbst 1951 – während der Dreharbeiten für „High Noon“ – vor den HUAC zitiert. Vier Monate später fand sich jemand, der ihn auch nach 1945 noch auf Parteiversammlungen gesehen haben wollte. Foreman verlor alle Aufträge in Hollywood und ging nach London. Nach seinem Erfolg als Co-Autor des Kassenschlagers „Die Brücke am Kwai“ wollte Columbia Pictures ihn nach Hollywood zurückholen – falls er sich vom Kommunistenstigma befreien könne. Im August 1956 war Foreman bereit, erneut vor dem HUAC auszusagen, aber nur über seine eigene KP-Vergangenheit; auf keinen Fall wollte er ehemalige Genossen denunzieren.

Foreman durfte in geschlossener Sitzung sprechen. Das Protokoll wurde nie veröffentlich. Der Regisseur Joseph Losey, der es gesehen hat, meinte allerdings: „Er hat zwar keine Namen genannt, aber Dinge gesagt, die mir im Halse steckengeblieben wären... Ich habe ihm das unter vier Augen vorgehalten. Er meinte nur: ,Man kann vor solchen Leuten nicht antanzen, wenn man ihnen nichts bietet. Was sollte ich tun?‘“

Foreman war der einzige frühere Kommunist, der ungestraft davonkam, ohne Kollegen denunzieren zu müssen. Seine Aussage hatte ein Mitglied des Ausschusses arrangiert, der Beziehungen zu Foremans Arbeitgeber Columbia Pictures hatte. So entstand das Gerücht, das Filmstudio habe den Abgeordneten mit 25.000 Dollar geschmiert. Foreman hat dies bestritten, um sofort hinzuzufügen: „Ich hätte die Summe sofort bezahlt, um wieder Arbeit zu bekommen. Ich hätte sogar 50.000 Dollar gezahlt, ohne mit der Wimper zu zucken.“

Wenn schon Helden rar waren, gab's dann wenigstens den klassischen Schurken? In dieser Rolle wird seither Elia Kazan gehandelt: der „friendly witness“ als Verräter.

Elia Kazan entstammte einer Familie griechischer Einwanderer aus Anatolien. Er hatte die Karriere des jungen Genies gemacht, zunächst als Schauspieler, dann als Theaterregisseur in New York, wo er sich vor allem für die Stücke von Arthur Miller engagierte. Nach 1945 inszenierte er in Hollywood seine ersten Filme.

Kazan war 1934 KP-Mitglied geworden, aber bald wieder ausgetreten, als er mit seinen Gedanken aneckte. 1947 hatte er noch die „Hollywood Ten“ unterstützt. Anfang 1952 wurde er selbst beim HUAC vorgeladen. Bei seinem ersten Auftritt erzählte Elia Kazan alles über sich selbst, aber nichts über andere KP-Mitglieder. Drei Monate später lud man ihn aufs Neue vor. Jetzt lieferte er seine gesammelten Kenntnisse über Freunde und Kollegen ab. Vorausgegangen war ein Treffen mit dem FBI-Chef Hoover und Spyros Skouras, dem allmächtigen Präsidenten der 20th Century Fox.

Dem Filmproduzenten Karmit Bloomgarden hat Kazan später berichtet, daß ihm dabei das Ende seiner Karriere angedroht wurde. Gegenüber Bloomgarden hat Kazan seinen Sinneswandel mit dem Argument entschuldigt: „Ich muß an meine Kinder denken.“ Der Freund erwiderte nur: „Am Ende werden dich deine Kinder als Denunzianten betrachten.“

Als Verräter galt Kazan fortan bei den meisten seiner Kollegen. Er selbst hatte am Tag nach seiner „kooperativen“ Aussage eine Rechtfertigungsanzeige in die New York Times gesetzt. Sein Hauptargument: Liberale müssen die Wahrheit aussprechen, auch die über die Kommunisten, die sonst immer wieder vom Schweigen der Liberalen profitieren würden.

Das Argument hätte eine Debatte über die doppelbödige Bündnispolitik der Kommunistischen Partei gegenüber dem liberalen Amerika anstoßen können. Aber es taugte nicht als Rechtfertigung für die Denunziation von Kollegen, für die aktive Beteiligung am Kalten Bürgerkrieg des FBI und der McCarthy-Leute. Kazans Anzeige ist dennoch ein wichtiges Dokument zum Verständnis der politischen Atmosphäre, zu der auch die Erfahrungen vieler Intellektueller mit der amerikanischen KP gehörten, mit ihren totalitären Strukturen, ihren Denkverboten.

Was Kazan zu diesem Thema meinte, ist durch sein Verhalten keineswegs entwertet: „Wir dürfen den Kommunisten niemals die Behauptung abnehmen, sie würden sich hierzulande für das einsetzen, was sie in ihren eigenen Ländern vernichten. Ich meine die Redefreiheit, die Pressefreiheit, die Freiheit auf Besitz, auf Arbeit; ich spreche von der Gleichheit der Rassen und – vor allem – von den individuellen Freiheitsrechten.“

Kazans Verhalten war dennoch eine Verrat, und zwar in doppelter Hinsicht: persönlich an ehemaligen Genossen, und politisch an seinen eigenen Prinzipien. Denn er ließ sich vom FBI ganz ähnlich mißbrauchen wie manche radikale Intellektuelle von der stalinistischen KP. Daß sich Kazan dieser Parallele bewußt war, gab er 1973 in einem Interview zu erkennen: „Ich glaube, es gibt nichts in meinem Leben, dem ich ambivalenter gegenüberstehe, denn selbstverständlich ist es etwas ganz Unmögliches, andere Leute zu denunzieren... Ich habe mich seitdem oft geschämt, daß ich Leute denunziert habe, obwohl – sie waren alle bereits bekannt, es ist nicht so, daß ich die Polizei auf sie aufmerksam gemacht hätte.“

Der letzte Satz sagt mehr aus, als Kazan preisgeben wollte – „Ich habe keinem geschadet.“ Auf die Ausrede verfiel jeder „kooperative Zeuge“ der McCarthy-Ära, aber sie verrät nur das rumorende Unrechtsbewußtsein des Denunzianten. Sie ist die Lebenslüge aller informellen Mitarbeiter. Keinem geschadet zu haben, sagen sie – und zählen sich selbst schon gar nicht mehr mit.

Die Schriftstellerin Lilian Hellman hat in ihren Erinnerungen an die McCarthy- Zeit Kazans Verwandlung zum „Schurken“ aus seiner Immigrantenbiographie erklären wollen: „Die Kinder von furchtsamen Einwanderern sind oft bemerkenswerte Menschen: energisch, intelligent, arbeitsam; und oft erreichen sie dabei so viel, daß sie entschlossen sind, es um jeden Preis zu behalten.“

Aber warum sollte dieses Diktum nur für Immigranten gelten? Daß man das, was man erreicht hat – Geld, Besitz, Macht, Prominenz, Selbstbewußtsein – zumindest behalten will, ist ein universelles Motiv, das für das ganze damalige Hollywood galt. Und darüber hinaus. Dalton Trumbo, ganz gewiß ein Opfer der McCarthy-Ära, hat es so formuliert: „Die Zeit der ,schwarzen Listen‘ war eine Zeit des Bösen. Und niemand, der sie überlebt hat, auf welcher Seite auch immer, blieb davon unberührt. Gefangen in einer Situation, die der Kontrolle durch Individuen entzogen war, reagierte jede Person unter dem Zwang ihrer Natur, ihrer Bedürfnisse, Überzeugungen und besonderen Lebensumstände... Es hat keinen Zweck, nach Helden oder Bösewichtern, nach Heiligen oder Teufeln zu suchen, weil es keine gab. Es gab nur Opfer.“

Trumbo wollte Denunzianten und Denunzierte damit nicht etwa gleichsetzen. Er wollte auch nicht sagen, daß es auf das Verhalten der Einzelnen nicht ankomme. Im Gegenteil. Der Spuk wäre schneller zu Ende gewesen, wenn es mehr halbe, zögernde oder auch nur unfreiwillige Helden gegeben hätte. Menschen, die auf ihren Überzeugungen bestehen, auch wenn es ein Stück ihrer Karriere oder ihres Einkommens kostet, können Mut und Selbstbewußtsein weitergeben.

Was Trumbo thematisiert, ist die Macht des Konformismus. Sie war auch Thema Arthur Millers, der zu den wenigen halben Helden der McCarthy-Ära gehört: „Hierzulande ist Konformitätsdruck eine ungeheure Macht. Darauf beruhte die Macht des Anti-American Acitivities Committee, denn was wurde den meisten Leuten letzten Endes angedroht? Man schickte sie nicht ins Gefängnis, man hat sie natürlich auch nicht erschossen. Ihre Strafe war die soziale Ächtung.“

Viele der Menschen, die sich – in Hollywood und anderswo – am längsten gegen den Konformismus sperrten, waren vor der totalitären Variante des Konformismus aus Europa nach Amerika geflohe. Auch Fred Zinnemann war Immigrant. Als Kind einer Wiener Arztfamilie hatte er eine erstklassige Bildung erfahren und zugleich die Außenseiterrolle einer jüdischen Existenz: „Man hatte ständig die Vorstellung, daß man sich nicht offen – von Person zu Person – unterhalten konnte, ohne die Angst zu spüren: Ich gehöre nicht zu ihnen, ich gehöre im Grunde nicht hierher. Und das Gefühl war weg, sobald man nach Amerika kam. Den Menschen war es völlig egal, wer du bist, solange sie dachten, du bist als menschliches Wesen einigermaßen okay und hast sogar einen gewissen Sinn für Humor.“

Es war das Schwinden dieser egalitären, demokratischen Atmosphäre, das Zinnemann gegen den „un-amerikanischen“ McCarthyismus aufbrachte. Als Emigrant hatte er ein Gespür für die totalitäre Bedrohung. Das erklärt sein Verhalten, als 1950 die „Screen Directors Guild“, der Verband der Filmregisseure, auf die ,schwarze Liste‘ der Filmindustrie mit einer Satzungsänderung reagierte. Die Mitglieder sollten beurkunden, daß sie weder Mitglied der Kommunischen Partei seien noch vorhätten, „die Regierung der USA gewaltsam oder mit illegalen oder verfassungswidrigen Methoden zu stürzen“.

Dieser Satzungsänderung sollten die Mitglieder per schriftlicher Abstimmung beschließen. Zinnemann reagierte nicht, worauf ihm sein Präsident eine Mahnung schickte: 80 Prozent der Mitglieder hätten schon zugestimmt, man halte aber eine hundertprozentige Beteiligung für unabdingbar und bitte, den Stimmzettel unterschrieben zurückzusenden. Zinnemann antwortete mit einem Brief, der eines der mutigsten Dokumente der McCarthy-Ära ist.

Er versicherte, jederzeit einen Treueeid gegenüber seinem Staat ablegen zu wollen, wenn ihn eine legitimierte Instanz mit vernünftigen Gründen darum bitte. Ein Berufsverband sei jedoch nicht befugt, Denken und Handeln seiner Mitglieder zu kontrollieren. Noch schärfer äußerte er sich zum Abstimmungsverfahren: „Statt geheim abstimmen zu lassen, verlangen Sie eine Stimmabgabe per Unterschrift... Mit dieser Technik haben Sie die Zustimmung einer Mehrheit der Mitglieder erreicht. Muß ich auf die Parallele mit den ,freien‘ Wahlen in Rußland und in Nazi- Deutschland hinweisen? Gegenwärtig ist unsere Freiheit durch Rußland bedroht. Dagegen müssen wir uns mit geeigneten Maßnahmen schützen. Aber die können meines Erachtens nicht darin bestehen, die russische Auffassung von Freiheit zu übernehmen. All dies sollte Ihnen zu Genüge zeigen, daß ich nicht bereit bin, meine individuelle Freiheit als gesetzestreuer und loyaler Bürger der Vereinigten Staaten an irgendeine Interessengruppe abzutreten, die aus welchen Gründen auch immer den Wunsch hat, diese Freiheit zu untergraben.“

McCarthy-Anhänger wie John Wayne haben in „High Noon“ einen subversiven Film gesehen, weil Gary Cooper am Ende den Sheriffstern hinwirft – das Symbol der staatlichen Autorität. Für Zinnemann war diese Geste nicht gegen den Staat, sondern gegen dessen Subjekte gerichtet.

In seiner Autobiographie hat Zinnemann geschrieben: „Daß man darin Subversion witterte, hatte nicht unbedingt politische Gründe. Es war nur die unbewußte Angst, der klassische Mythos des furchtlosen Westernhelden, des stets siegreichen Superman, könnte untergraben werden. Der Sheriff zeigte sich aber nicht furchtlos, er hatte Angst; er war also keine mythische Figur – er war ein Mensch.“

Ein Mensch war auch Fred Zinnemann. Im Oktober 1950 unterschrieb er – wie alle anderen Dissidenten auch – die Loyalitätserklärung des Verbands der Filmregisseure, gegen die er sich zwei Monate zuvor so überzeugt wie überzeugend verwahrt hatte.s

Das vollständige Fred Zinnemann-Gespräch von Adam Levy findet sich in der Januar-Ausgabe der Londoner Zeitschrift Projection.