Leben in einem „Käfig mit Ausgang“

Curslacker Neuer Deich: Roma-Containerdorf sorgt für Bezirks-Unmut  ■ Von Ulrike Winkelmann

Wie gut, daß die CDU es schon immer gewußt hat. Aber es hatte ja niemand hören wollen. „Wann immer wir auf die unhaltbaren Zustände am Curslacker Neuer Deich hingewiesen haben, wurden wir als Rassisten in die Ecke gestellt“, maulte Thorsten Ploß von der CDU-Fraktion am Donnerstag abend ins Mikrofon der Bergedorfer Bezirksversammlung.

Inzwischen jedoch genießt das Container-Dorf an der Bergedorfer Ausfallstraße die ungeteilte Aufmerksamkeit des gesamten Bezirks, der Bürgerschaft, der Sozialbehörde und nicht zuletzt des guten Dutzends DVU-Mitglieder, die sich auf dem Zuschauerrang der Bezirksversammlung einfanden.

Rund 100 Roma aus Montenegro leben seit fünf Jahren am Curslacker Neuen Deich in einem „Käfig mit Ausgang“, wie es Ulrike Kirschner, Fraktionsvorsitzende der Bergedorfer GAL, nennt. Die Wohncontainer, die mit bis zu acht Menschen pro Raum überbelegt sind, werden nicht nur von einem Zaun, sondern auch von einem Kranz aus Müll- und Sperrmüllhaufen umgeben.

Drei Männer eines Security Service bewachen das Dorf rund um die Uhr – wovor, „wissen wir auch nicht“, sagt Wachmann Günther Holländer. Er und sein Kollege Besnik Racipey lesen den Bewohnern ihre Post vor oder rufen im Notfall den Arzt. Gefährlich finden sie ihren Job nicht, das „Grundproblem“, behauptet Racipey, „ist doch der Müll“.

Auf dem spärlich erleuchteten Gelände spielen verwahrloste Kinder. Wegen ihrer Aktivitäten, so gibt die Hamburger Stadtentwässerung an, habe sie es nicht mehr in der Nachbarschaft der Container ausgehalten: Vergangene Woche räumten die zwölf Mitarbeiter unter öffentlichkeitswirksamem Hinweis auf Einbrüche, Diebstähle, Steinwürfe und auch Gewehrschüsse ihre Büros neben dem Käfig-Dorf. „Wir wollten die Gewalt deeskalieren und kein Gegeneinander aufbauen“, sagt der Sprecher der Stadtentwässerung, Gerd Eich, etwas fromm. Die Dienststelle wurde ins Wohngebiet an den Rahel-Varnhagen-Weg in Allermöhe verlegt – „eine vorübergehende Maßnahme“, betont Eich. In etwa einem halben Jahr will die Stadtentwässerung sowieso umziehen.

In Allermöhe jedoch, so beschloß die Bergedorfer Bezirksversammlung am Donnerstag einhellig, soll die Stadtentwässerung auf keinen Fall länger bleiben. Dort sorgen die 60 Abwässer-LKWs schon jetzt für beträchtlichen Ärger – nicht zuletzt seien die Kinder durch das Mehr an LKWs zusätzlich gefährdet, sagte Bärbel Barnbeck von der SPD-Fraktion.

„Zu billig“, wies Ulrike Kirschner sie zurecht, sei es, für den Rahel-Varnhagen-Weg nicht dulden zu wollen, was den Roma schon immer zugemutet worden sei. „Diese Menschen haben Anspruch auf menschenwürdige Unterbringung.“Genau das, sagt jedoch Petra Bäurle, Sprecherin der Sozialbehörde, „ist ein grandioses Problem.“Das ganze Dorf oder auch größere Gruppen in öffentlichen Wohnraum umzusiedeln, „sprengt erfahrungsgemäß die gesamte Unterkunft“– zu groß seien etwa die Konflikte um Hühner- oder Schafhaltung in Sozialwohnungen. Eine Aufteilung in Kleinfamilien müsse erwogen werden – wenn die Roma dem denn zustimmten.

„Man sollte uns nicht zusammen umsetzen“, sagt dazu bislang Rusto Adzovic, der Sprecher der Roma am Curslacker Neuen Deich. Auf die Situation im Dorf angesprochen, spricht er von einem „Schweinestall“– spätestens „im Sommer muß das anders werden“. Adzovic erschien auch auf der Bergedorfer Bezirksversammlung, um zu fragen, was man dort für die beste Lösung hielt. Eine Antwort bekam er noch nicht – die Sache wurde an Ausschüsse verwiesen. Ab Mitte Dezember wird eine „Koordinationsgruppe“aus Sozialbehörde, Bezirk und weiteren Betroffenen sich eine Lösung des Problems überlegen.

„Nachdem das schon so lange währt“, sagte Kirschner, „brauchen wir jetzt auch nichts übers Knie zu brechen.“