■ Nachschlag
: Warum hast du Siebenen gemalt? – Lesen und lesen lassen im Cube Club

Draußen vor der Tür: ein bepinselter Regenschirm, ein original „Long John Silver Fahrradanhänger“, auf den Gehwegplatten frisch gemalte Sechsen, vor der Nachbarkneipe ein angefetztes Plastiktransparent mit Dildobemalung. Ein Mann, der ansonsten fast ungreifbar auf dem Rad durch den Berliner Wind braust, immer einen langen Pinsel und einen Eimer weiße Kalkfarbe dabei, stellte sich endlich seinem Publikum. Er war zu Gast in der Reihe „Lesen und lesen lassen“ im Friedrichshainer Cube Club (gelegen an der Wühltischstraße ohne t).

Zu lesen gibt's sein Werk natürlich nur auf der Straße und ihren Möbeln. Deshalb zeigte man zunächst zwei, zum Glück völlig unscharfe und verwackelte Videos über Sechsen und Fleisch. „Und dafür haben wir 6 Mark bezahlt!“ Rainer, der danach vor der Leinwand Rede und Antwort stehen soll, nennt sich Dr. Genitalis Rex Dildo, und er wirkt, als sei ihm das selbst irgendwie peinlich.

Bis zur Räumung lebte er in der Wagenburg an der Mühlenstraße. Er ist stolz, daß er auch bei 10 Grad minus seinen Bauwagen nicht heizt: „Mir wird nicht kalt.“ Dazu bleibt ihm bei seinem Tatendrang auch kaum Zeit. Acht, manchmal zwölf Stunden am Tag verbringt er auf dem Rad. Pausen oder Wochenenden gibt es nicht für einen, der sich selbst die Aufgabe erteilt hat, der Stadt permanent einen gewaltigen Vorrat an Sechsen vorzuhalten. Überall und nirgends tauchen diese weißgetünchten Sechsen auf, und wie bei anderer, ganz großer Kunst gibt's auch hier eine Entwicklung im Werk. Rainer: „Die Sechsen haben sich über die Jahre verändert. Der Hals wird länger.“ „Aber was willst du denn nun eigentlich mit den Sechsen ausdrücken?“ will eine Frau wissen. Rainer entfaltet ein Plakat, auf dem er mit schwarzem und rotem Edding in drei Schritten die Entwicklung der Dildo-Art erklärt.

Auf wiederholte Nachfragen erklärt er wiederholt, sein Anliegen sei der Verkehr und die Bekanntmachung seiner „E = mc hoch unendlich“-Formel zur menschlichen Dummheit. „Und warum hast du im Frühjahr Siebenen gemalt?“ Andreas Becker