■ Kuren
: Mief der siebziger Jahre

Die Durststrecke im deutschen Bädertourismus ist noch lange nicht überwunden. Dabei ist urlauben und gleichzeitig etwas für die Gesundheit tun durchaus angesagt. Besonders bei einer zahlungkräftigen, „voll im Leben stehenden“ Klientel. Doch die Wellness-Angebote – ein bißchen Kur, ein bißchen Fitneß und ein bißchen Schönheit – vieler Kurorte sind kostspielig, nur für wenige machbar. Von wenigen können nur wenige leben.

Die Krise des Bädertourismus ist auch hausgemacht. „Durch viele Bäder weht immer noch der Mief der siebziger Jahre“, so Professor Claus-Dieter Barg, Herausgeber einer Studie der Fachhochschule Heilbronn zu Heilbädern. „Die Bäder haben den Anschluß verpaßt.“ Obwohl die Situation seit 1988 vohersehbar war, „schlittern die klassischen Kurorte konzept- und hilflos in die Krise“. Seien ihnen früher die Gäste, ohne sich darum zu bemühen, von Kassen- und Versicherungsträgern zugewiesen worden, blieben heute die Betten leer. Es fehlen Angebote für Kurzreisende und Tagesgäste. Zudem leiden die meisten Badestädte unter kritischer Überalterung.

Nur ein Drittel der rund 340 deutschen Kurorte ist als Reiseziel attraktiv genug. Exemplarisch durchleuchtet für die Heilbronner Studie wurden neun Heilbäder in Rheinland-Pfalz. Ergebnis: viele Kurorte wurden mit ihren Gästen alt. Im Tourismusgeschäft von morgen haben sie keine Zukunft.

Nicht zuletzt haben nach Ansicht von Professor Barg auch die Hoteliers die Zeit verschlafen. „Zwischen Röschentapeten, Schleiflackfurnier und gewellten Teppichböden“ fühle sich – bei Übernachtungspreisen von immerhin 70 bis 128 Mark in Mittelklassehäusern – kein junger Gast wohl.

Auch die Gastronomie fällt als Höhepunkt eines ereignisarmen Kuralltags aus. Die Restaurants der Kurorte sind schlicht, häufig schlecht. Barg: „Deutsche Gastronomen sind teilweise nur rechthaberisch und halsstarrig. In Freundlichkeit, Service und Qualität machen Chinesen, Griechen und Italiener vielen was vor.“ Also, doch lieber in die Ferne schweifen als zu Hause kuren? ed