Prager Regierung zurückgetreten

■ Ministerpräsident Klaus stürzt über Affäre

Prag (taz) – Eine achtjährige Ära in Tschechien ist zu Ende. Es war fünf Minuten nach zwölf, als Václav Klaus am frühen Sonntag morgen von seinem Amt als Ministerpräsident der Tschechischen Republik zurücktrat. Bei seiner gestrigen Pressekonferenz verwies er auf seine Verdienste für das Land und dessen Stellung in der internationalen Gemeinschaft. Jedoch hätten einige zu viel von ihm erwartet. Für die Affäre um eine 7,5-Millionen-Kronen-Spende an die regierende Bürgerlich-Demokratische Partei (ODS), deren unklare Herkunft die politische Krise ausgelöst hatte, trage er politisch die Verantwortung. Ob Klaus beim kommenden ODS-Parteitag am 13. Dezember auch als Parteichef zurücktreten wird, ließ der gescheiterte Ministerpräsident offen. Die 7,5 Millionen Kronen werden auf ein Konto für die Opfer der Hochwasserkatastrophe dieses Sommers überwiesen.

Schon gestern begannen auf Schloß Lany, dem Landsitz des tschechischen Präsidenten Václav Havel, Verhandlungen über die Bildung der neuen Regierung. Sicher ist, daß ihr die bisherigen drei Koalitionspartner, neben der ODS die Christlich-Soziale Volkspartei (KDU-CSL) sowie die die Bürgerlich- Demokratische Allianz (ODA), angehören werden. Als neuer Ministerpräsident sind der Vorsitzende der KDU- CSL, Josef Lux, sowie Finanzminister Ivan Pilip und der Ex-Innenminister Jan Ruml (beide ODS) im Gespräch.

Die neue Regierung soll nach den Vorstellungen Havels ein besseres Verhältnis zu den oppositionellen Sozialdemokraten, der CSSD, entwickeln. Das hatte der Präsident bereits bei einer kurzen Ansprache am Samstag nachmittag deutlich gemacht, bei der er unerwartet klar die gesamte Regierung samt ihrem Vorsitzenden zum Rücktritt aufforderte. Den Schritt begründete der deutlich von seiner Lungenkrankheit geschwächte Havel damit, daß der Regierung Klaus „die Energie ausgegangen“ sei. Es gehe um die Zukunft des Landes, in dem „Milliarden gestohlen würden“ und „Politiker lügen“. Er begreife, daß die Bürger begonnen hätten, der Privatisierung zu mißtrauen. Vorzeitige Neuwahlen lehnte der Präsident ab. Zugleich forderte er den Prager Bürgermeister Jan Koukal (ODS), der zu einer Demonstration für Klaus auf dem Wenzelsplatz aufgerufen hatte, zum Rücktritt auf. Der ehemalige tschechische Außenminister Josef Zieleniec (ODS), den viele als einen der Drahtzieher des Machtwechsels sehen, gab am Wochenende keinerlei Stellungnahme ab. Sabine Herre

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