Bundeswehr fliegt auf Adolf Hitlers Wehrmacht

■ Bundeswehr präsentiert in „Traditionsräumen“ ausländischen Besuchern stolz die Siege der NS-Wehrmacht ohne jede Kommentierung: Verstoß gegen eigene Richtlinien

Bonn (taz) – Die Ausstellung über Verbrechen der Wehrmacht hat in der Bundesrepublik eine erbitterte Diskussion ausgelöst. Bei Teilen der Bundeswehr gibt es Wehrmachtausstellungen ganz anderer Art, der Öffentlichkeit entzogen: In Traditionsräumen wird dort ohne jede historische Einordnung bewundernde Erinnerung an militärische Leistungen von Einheiten der ehemaligen Wehrmacht gepflegt – ein Verstoß gegen die eigenen Traditionsrichtlinien der Truppe. Dort heißt es ausdrücklich: „Die Pflege von Traditionen soll der Möglichkeit entgegenwirken, sich wertneutral auf das militärische Handwerk zu beschränken.“ Die Traditionsräume stehen Wehrpflichtigen nicht offen. Regelmäßig werden sie aber ausländischen Gästen präsentiert.

Auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel ist ein Traditionsraum dem Jagdgeschwader 52 gewidmet. 1983 hat das dort stationierte Jagdbombergeschwader 33 die Patenschaft für diesen Wehrmachtsverband übernommen. In Vitrinen liegen Medaillen, Orden und Abzeichen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, letztere mit Hakenkreuzen. An der Stirnseite des Raumes, der einem kleinen Museum gleicht, hängen vergilbte Fotos mit 19 Ritterkreuzträgern aus dem Zweiten Weltkrieg. Unter ihnen Hauptmann Erich Hartmann: „352 Abschüsse“, erläuterte ein Offizier der bündnisgrünen Abgeordneten Angelika Beer, die am Freitag dem Fliegerhorst einen Truppenbesuch abgestattet hat, begleitet von der taz.

Gegenüber der Fotowand hängt eine Landkarte, auf der mit bunten Knöpfen die Einsatzräume des Jagdgeschwaders 52 in der Sowjetunion markiert sind. „Die Russen sind immer ganz traurig, wenn sie sehen, wie weit wir in ihrem schönen Land gekommen sind“, erzählte ein Offizier. Besuchergruppen kämen hierher regelmäßig, berichtete Kommodore Oberst Lothar Schmidt. Die meisten reisten aus Ländern des ehemaligen Ostblocks an: Rußland, Polen, Ukraine, Ungarn. Die letzte sei aus Weißrußland gekommen. „Die waren hier mit der Fragestellung, wie eine Armee in der Demokratie funktioniert.“

In einer Informationsschrift „für Gäste und Soldaten“ werden Einzelheiten über das Jagdgeschwader 52 mitgeteilt: „Mit über 10.000 Luftsiegen, die im Frankreichfeldzug, in der ,Schlacht um England‘, auf dem Balkan und in Rußland errungen wurden, gilt das JG 52 als erfolgreichster Jagdverband der Welt.“

„Ich finde diese Präsentation ohne jede Form der Distanzierung völlig unverantwortlich“, sagte Angelika Beer. Die Bundestagsabgeordnete kündigte an, in Briefen an Verteidigungsminister Volker Rühe und Generalinspekteur Hartmut Bagger die Schließung der Raumes zu verlangen. Außerdem fordert sie eine generelle Überprüfung von Traditionsräumen bei der Bundeswehr.

Die 1982 erlassenen Traditionsrichtlinien der Bundeswehr widersprechen der gängigen Praxis eindeutig: „Die Art und Weise, in der wehrkundliche Exponate gezeigt werden, muß die Einordnung in einen geschichtlichen Zusammenhang erkennen lassen“, heißt es darin. Besonderer Wert sei darauf zu legen, daß die „Orientierung nicht allein am Erfolg und den Erfolgreichen, sondern auch am Leiden der Verfolgten und Gedemütigten“ erfolge.

In der Bundestagsdebatte über die Wehrmachtausstellung im März hatte auch Verteidigungsminister Rühe klare Worte gefunden: „Die Wehrmacht war die Armee einer Diktatur. Objektiv war sie das Instrument Hitlers zur Führung eines verbrecherischen Angriffskrieges. Ihre militärischen Erfolge waren – vor allem im Osten – die Voraussetzung für Unrecht und Vernichtung.“ Als Institution könne die Wehrmacht keine Tradition begründen. Bettina Gaus Kommentar Seite 12