Hier hilft nur noch Generalstreik

Für ein besseres Studium für alle: Seit gestern wird auch an drei Hamburger Hochschulen gestreikt  ■ Von Karin Flothmann und Ralf Streck

„Auch hier kein Durchkommen“, stöhnt eine Studentin und versucht, sich irgendwie ins überfüllte Audimax der Universität zu quetschen. Hier drängeln sich schon an die 3.000 StudentInnen. Alle Zeichen stehen auf Streik. Es war gestern nicht leicht, an einer der studentischen Vollversammlungen in Hamburg teilzunehmen, auf denen darüber diskutiert wurde, ob sich Hamburgs Studierende den bundesweiten Protesten anschließen. Das Ergebnis jedoch war eindeutig: An der Universität, der Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) und einigen Fachbereichen der Fachhochschule wird seit gestern gestreikt. Die StudentInnen der TU Harburg solidarisierten sich mit den Streikenden, wollen selbst aber nur einen Aktionstag am Mittwoch durchführen.

Zugleich beschlossen die StudentInnen aller drei Streik-Hochschulen Resolutionen, die sich für bessere Studienbedingungen aussprechen und gegen die geplante Novelle des Hochschulrahmengesetzes richten. Vom behindertengerechten Ausbau der Hochschulen über ein bundesweites Verbot aller Studiengebühren bis hin zu einer solidarisch finanzierten Grundsicherung für alle reichen die Forderungskataloge. „Kürzungen und Umstrukturierungen an den Hochschulen sind kein Einzelphänomen“, versucht Felix Puspieck von der HWP den Protest gesamtgesellschaftlich zu verorten. „Wir treten für eine solidarische Gesellschaft ein, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und nicht an ihrer ökonomischen Verwertbarkeit.“

Der Hamburger Protest richtet sich folgerichtig auch gegen das von der Bundesregierung geplante neue Hochschulrahmengesetz (HRG). Zwangsberatung, kürzere und angeblich effektivere Studiengänge, die Möglichkeit, daß sich Unis 20 Prozent ihrer StudentInnen per Testverfahren selbst aussuchen dürfen – all das empört Hamburgs Studierende. Sie befürchten, daß künftig nur noch eine kleine Elite eine umfassende Hochschulausbildung erhalten soll. Die Masse hingegen werde in Kurzstudiengängen abgefertigt – je nach den gerade aktuellen Bedürfnissen der Wirtschaft.

„Wir streiken nicht, weil der Kopierer kaputt ist“, proklamierte auch Ralph Wildner, Romanistikstudent der Uni Gießen, der als Gast zur Vollversammlung an der Uni geladen war. „Wir wollen eine Umstrukturierung der gesamten Gesellschaft.“Er und andere distanzierten sich vom Applaus nach Art des Bundeskanzlers. Politiker seiner Couleur wollten die Hochschulen allein nach betriebswirtschaftlichen Kriterien umbauen.

Vor Applaus waren sie gestern dennoch nicht gefeit. Am Abend erklärte sich Hamburgs Wissenschaftssenatorin Krista Sager (GAL) flugs solidarisch mit den Studierenden: Mit dem Streik rücke die Bildungssituation endlich „in offensiver Weise in die öffentliche Wahrnehmung“. Als am Nachmittag rund 2.000 StudentInnen protestierend vom Rathaus zum Springer-Hochhaus zogen, war diese Öffentlichkeit schon hergestellt. „Hier hilft doch nur noch ein Generalstreik“, grüßte Rentner Heinz Pestke die DemonstrantInnen vom Straßenrand.