Rückzieher bei Zweitwohnungssteuer

Die Entscheidung über die umstrittene Zweitwohnungssteuer hat der Senat gestern dem Parlament zugeschoben. Wie Senatssprecher Michael Butz nach der Senatssitzung mitteilte, soll das Abgeordnetenhaus entscheiden, ob die Steuer 1998 oder erst im Jahr 2000 eingeführt wird.

Der Senat hatte am 21. Oktober beschlossen, daß Berliner, die nur mit ihrem Zweitwohnsitz in der Hauptstadt gemeldet sind, ab 1998 jährlich acht Prozent der Netto- Kaltmiete als Steuer entrichten sollen. Der Beschluß war von Wirtschaftsverbänden sowie Bonner Abgeordneten scharf kritisiert worden.

Daraufhin hatte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) eine Aussetzung der Steuer für zwei Jahre in Betracht gezogen. Hintergrund sind Befürchtungen, daß Industrie- und Wirtschaftsunternehmen ihre Überlegungen für eine Ansiedlung in Berlin verwerfen könnten, sagte Butz gestern. „Es gibt keinen Druck von außen“, beteuerte der Senatssprecher. Wie eine Prüfung durch Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) ergab, ist eine Übergangsregelung verfassungsrechtlich unbedenklich.

Während sich Diepgen für eine Aussetzung der Zweitwohnungssteuer ausgesprochen hat, hält Finanzsenatorin Annette Fugmann- Heesing (SPD) an der Einführung im nächsten Jahr fest. Sie erhofft sich Mehreinnahmen in Höhe von 5 bis 10 Millionen Mark. Weiterhin rechnet sie mit 55 Millionen Mark aus dem Länderfinanzausgleich: Berlin erhält für jede Person mit Erstwohnsitz 5.500 Mark. Um der Steuer zu entgehen, dürfte verstärkt der Erstwohnsitz nach Berlin verlegt werden.

Ob der Senat strittige und unliebsame Entscheidungen künftig öfter an das Abgeordnetenhaus weiterreicht, war gestern nicht zu erfahren. win