Werdet nicht zu laut!

Auch ohne „Brigitte-TV“ hat die ARD schon Zeit für die Frauen: Sogar knapp zwei Stunden monatlich in den Dritten. Wer so wenig Zeit hat, kann nur gefällig sein  ■ Von Silke Burmester

Die ARD braucht unbedingt ein Frauenformat im Programm! Auf diese Idee kam im vergangenen Jahr NDR-Intendant Jobst Plog, nachdem seine Leute mit den Vertretern des Großverlags Gruner + Jahr ins Gespräch gekommen waren. Denn aus deren Chefetagen, die nun auch nicht viel weiblicher besetzt sind als die der ARD, kam die Lösung, für die Plog unermüdlich wirbt: „Brigitte-TV“ – die fernsehgerechte Umsetzung gleichnamiger Frauenzeitschrift aus dem zum Bertelsmann- Konzern zählenden Verlag. Nur zögerlich willigte die Intendanten- Herrenrunde in dieses erstmalige Programm-Joint-venture einer öffentlich-rechtlichen Anstalt mit einem Medienkonzern ein.

Nun ist es nicht so, daß es in der ARD gar keine Frauensendungen gäbe. Versteckt in den Dritten Programmen von WDR, ORB und BR wird auch jenseits von „Brigitte-TV“ bereits für Frauen gesendet. Dort gab man den Frauen einen Witz an Sendezeit: 30 Minuten monatlich für „Ungeschminkt“ (ORB), 25 Minuten alle drei Wochen für „Frauensache“ (BR) und dreimal 30 Minuten monatlich für „Frau TV“ (WDR). Dagegen nehmen sich die 45 Minuten wöchentlich, die das ZDF seinem weiblichen Flaggschiff „Mona Lisa“ einstweilen noch gibt, fürstlich aus. Kein Wunder, daß es auch dort Bestrebungen gibt, die Sendedauer zu kürzen [s. Kasten].

Zurück zu den drei Sendungen im Dritten: Die zeichnet in erster Linie eine Form von Gefälligkeit aus, die die Regeln der männlich dominierten Sendeanstalten deutlich macht: Wagt es nicht, mit unseren Konventionen zu brechen! Und: Werdet nicht zu laut! Alle drei Formate sind klassische Magazinsendungen, sprich: Moderation plus Einspielfilm. Nur die Bayerinnen lockern die Studiosituation durch Publikum und Kulissenwechsel auf. WDR und ORB erinnern mit dem neuesten alten Trend „gewischte Wand“ an Gesundheitsmagazine (ORB) oder Verbraucherprogramme (WDR).

Sicherlich können die Frauen das Fernsehen nicht neu erfinden. Daß sie sich so sehr herkömmlicher Machart und Bildsprache bedienen, ist dennoch schade. Obschon die Beiträge überwiegend von Frauen produziert werden (Beitrag und Schnitt, selten auch Kamera), wurde die männliche Definitionsmacht – die Vorstellung davon also, wie Fernsehen auszusehen hat – übernommen. Den WDRlerinnen muß man lassen, daß sie mit Vorspann und Signation zumindest eine derzeit moderne Form der Darstellung gefunden haben, wenn auch keine neue. Alle drei Sendungen eint, daß sie weder Kosmetik- noch Diät- oder Modetips geben. Die monothematische „Frauensache“ setzt mit populistischen Themen wie Bundeswehr, Quote, „Frauen in der Kunst“ oder Krimiautorinnen auf Trends und mäßig aktuelle Inhalte. „Ungeschminkt“, 1990 im DDR-Fernsehen gestartet, thematisiert mit Beiträgen wie „218 zwischen Brandenburg und Bayern“ oder „Die Bücherfrau '96“ vornehmlich die Situation der Frauen aus der DDR. Aber auch „Ganzkörperbemalung während der Schwangerschaft“ findet bei der verantwortlichen Redakteurin Gisela Zimmer und unter der Leitung von Wibke Bruhns ein Plätzchen.

Die Redakteurinnen Andrea Ernst und Inge v. Bönnighausen können dank der „häufigen“ Ausstrahlung von „Frau TV“ auch auf aktuelle Anlässe reagieren und sich ein Nachrichtenfenster leisten. Die Kölnerinnen setzen auf Porträts und Berichte über die Situation von Frauen aus aller Welt. Die Psychoanalytikerin Therese von Mengershausen zum Beispiel, die Regisseurin Marleen Gorris, die Organisation terre des femmes oder „Erotik und Behinderung“. Es moderieren im Wechsel Lisa Ortiges und Inge von Bönninghausen. Während „Frau TV“ und „Ungeschminkt“ von einer „Pro Frau“-Haltung getragen wird – von Bönninghausen kommentiert sogar, vor allem, wenn „wir uns geärgert haben“ –, schneiden die Bayerinnen in puncto „Frauenpower“ am schlechtesten ab. [Welche wundert's? d. sin] Deren Beiträge, etwa „Lust und Last mit dem eigenen Spiegelbild“, sind vielfach wenig frauenspezifisch — grad so, als wolle man niemanden ausschließen. Susanne Franke glänzt darüber hinaus durch Fragen wie „Kann man sagen, Frauen, die straffällig werden, sind alle ähnlich veranlagt?“

Es ist zu erwarten, daß das wöchentliche „Brigitte-TV“ genau das hat, was den Magazinen des Dritten fehlt: Pop und Pep. Daß es frauenengagiert daherkommt wie „Frau TV“ und „Ungeschminkt“ es trotz „angezogener Handbremse“ vormachen, ist kaum zu erwarten. Schließlich war die Entscheidung für „Brigitte-TV“ eine medienpolitische und keine feministische.

„Frauensache“, nächste Sendung: 15.12., 21.35 Uhr

„Frau TV“, nächste Sendung: 4.12., 22 Uhr, WDR

„Ungeschminkt“, nächste Sendung: 12.12.1997, 21 Uhr