Sieben Jahre für Herri Batasuna

Wegen eines ETA-Videospots verurteilt das Oberste Gericht in Spanien die gesamte Führung der baskisch-nationalistischen Partei zu langen Gefängnisstrafen  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Die Richter der Zweiten Kammer des spanischen Obersten Gerichtshofs kannten kein Erbarmen. Drei Wochen nach Ende der mündlichen Verhandlung gegen den Vorstand des politischen Arms der baskischen Separatistenorganisation ETA, der Wahlkoalition Herri Batasuna (HB), gaben die hohen Herren gestern ihre Entscheidung bekannt. Jeder einzelne der 23 HB-Führer muß für sieben Jahre wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ hinter Gitter.

Die Anklage hatte acht Jahre gefordert, die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Neben den Haftstrafen wurden die 23 Vorstandsmitglieder zu einer Geldstrafe von jeweils 6.000 Mark verurteilt. Während sie ihre Strafe verbüßen, werden ihnen die bürgerlichen Rechte entzogen. Die symbolische Wahrnehmung öffentlicher Ämter oder Parteifunktionen ist somit ausgeschlossen.

Neben der Rechtfertigung zweier Attentate während des Parlamentswahlkampfs im Frühjahr 1996 wird den 23 HBlern die Absicht zur Last gelegt, anstelle eines eigenen Werbespots ein Video der ETA-Führung ausstrahlen zu wollen. Darin waren drei Vermummte zu sehen, ihre Pistolen auf dem Tisch abgelegt, die vor einer überdimensionalen baskischen Fahne mit dem ETA-Anagramm der Zentralregierung in Madrid ein „Verhandlungsangebot“ machten.

Der erste Schritt dieser sogenannten „Demokratischen Alternative für den Frieden“ sah eine Amnestie für die 600 baskischen Gefangenen und den Abzug des Militärs aus Euskadi vor, wie das Baskenland auf baskisch heißt. Direkte Verhandlungen mit der Regierung sollten dann den Weg für „einen breiten Dialog zwischen allen politischen und sozialen Kräften Euskadis“ bereiten. Das Ziel: ein neues, umfangreiches Autonomiestatut, das die vollständige Unabhängigkeit und die nationale Einheit mit den drei Baskenprovinzen in Frankreich ermöglicht.

Dem Indendanten des öffentlichen Fernsehens gefiel die Idee mit dem Video nicht. Er schaltete den Fernseher aus und die Ermittlungsbehörden ein. Mehrere Parteilokale wurden daraufhin durchsucht, Kopien des Videos beschlagnahmt und das Ermittlungsverfahren gegen die gesamte HB- Führung eingeleitet, das gestern mit dem Urteil zu Ende ging.

Justizministerin Margarita Mariscal beglückwünschte die Justiz zu ihrem „ausgewogenen und in höchstem Maße individuellen Urteil“. Es könne auf keinen Fall von einem Kollektivurteil die Rede sein, verteidigte die Ministerin ihre Richter. Für HB hingegen handelt es sich um ein „rein politisches Urteil“. Die Richter hätten sich nicht einmal die Mühe gemacht, individuelle Tatbeteiligung abzuwägen, sondern die gesamte Führung gleichermaßen für schuldig befunden.

Während sich die Madrider Politikkreise für die „Stärke des Rechtsstaates“ gegenseitig beglückwünschen, nehmen selbst die gemäßigten baskischen Parteien das Urteil mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis. Nach der Entführung und anschließenden Ermordung des konservativen Gemeinderats Miguel Ángel Blanco durch ETA im letzten Sommer war HB bei Umfragen deutlich gefallen. Jetzt, nach dem Schlag der Justiz, könnten die Linksnationalisten in der Gunst der Bevölkerung wieder steigen, fürchten die restlichen baskischen Parteien. Im Baskenland wird bereits nächstes Jahr gewählt. Die inhaftierte Führung der drittstärksten baskischen Partei wird dabei ohne Zweifel eines der Wahlkampfthemen sein.

HB hat gestern eine Reihe von Mobilisierungen gegen das Urteil angekündigt. Die Demonstrationen in den baskischen Provinzhauptstädten sollen am 15. Dezember in einen Generalstreik münden. Kommentar Seite 12