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Die Geschichte von Raub und Geschäft

Historiker, Diplomaten, Bankiers und Betroffene versammeln sich heute in London zur Nazigold-Konferenz. Sie wollen die Raubzüge der Nazis weiter aufhellen und klären, ob mit dem verfügbaren Rest des Raubgoldes die jüdischen Opfer entschädigt werden können  ■ Von Christian Semler

Heute beginnt in London eine Konferenz ganz eigenartigen, bislang unbekannten Zuschnitts. Delegationen von 40 Staaten und eine Reihe von regierungsunabhängigen Organisationen versammeln sich, um den Wegen nachzugehen, die das von Nazideutschland geraubte und während des Zweiten Weltkriegs ins Ausland, hauptsächlich in die Schweiz, verbrachte Gold genommen hat. Eine historische Tagung mit aktueller Pointe.

Die Delegation aus den USA leitet der Historiker und Bankfachmann Stuart Eizenstat, dem die bislang sorgfältigste Recherche zum Verbleib des Raubgolds, vor allem nach 1945, zu danken ist. Eine Kommission unter seiner Leitung erarbeitete den Bericht, der im letzten Jahr die Schweizer Regierungsstellen bis hin zur Bundesversammlung beschäftigte. Es war dieser Bericht, der die Schweizer Nationalbank bzw. die Basler Bank für internationalen Zahlungsausgleich, bei der große Teile des Raubgoldes gewaschen worden waren, dazu brachte, mit ihren eigenen, realistischeren Einschätzungen über den Umfang des Goldhandels mit dem Deutschen Reich herüberzukommen.

Mit entsprechend gemischten Gefühlen reist die Schweizer Delegation nach London. Außenminister Flavio Cotti appellierte deshalb auch an die britische Regierung „um eine faire und sachliche Konferenzführung“. Der Sache würde ein schlechter Dienst erwiesen, wenn in London nicht mit wissenschaftlicher Sorgfalt, sondern mit „einseitigen und haltlosen Behauptungen gearbeitet würde“. Als einseitig und haltlos haben sich allerdings nur die Zahlen zur Höhe der Goldkäufe erwiesen, die die Schweiz in der Nachkriegszeit verbreitet hat.

Die Bundesrepublik wird durch einen pensionierten Diplomaten, den Leiter des Münchner Instituts für Zeitgeschichte und den stellvertretenden Chef des Bundesarchivs vertreten. Die genannten Herren können sich einigermaßen beruhigt im Sessel zurücklehnen, geht es doch weder um Entschädigung noch um Wiedergutmachung. Auch als historische Experten haben die Deutschen schlechte Karten.

Denn die wichtigen Funde über Goldtransaktionen der Reichsbank während des 2. Weltkriegs stammen nicht aus dem Bundesarchiv. Der deutsche Soziologe und Historiker Hersch Fischler hat sie auf Mikrofilmen gefunden, die der 1977 verstorbene österreichische Kaufmann Herbert Herzog aufnahm. Woher Herzog die Akten hatte und welches Motiv ihn bei seiner minutiösen Recherche antrieb, ist bislang ungeklärt. (Die Berliner Zeitung berichtet seit dem Wochenende auf der Basis des Mikrofilm-Fundes in Wien über Herzogs Recherchen, die bis in die späten 50er Jahre reichen.)

Nach dem Krieg beschlagnahmten die westlichen Alliierten Gold- Depots der Nazis, wo immer sie konnten – nicht aber in der Schweiz, weil diese sich gegen eine rückhaltlose Offenlegung sperrte. Eine Tripartite-Comission aus Frankreich, den USA und Großbritannien wurde eingerichtet, um das Gold an die beraubten Länder zu verteilen. So geschehen im Anschluß an die Washingtoner Konferenz von 1946.

Dabei ging es um „monetäres Gold“, also hauptsächlich um die von den Nazis geplünderten Goldreserven der Zentralbanken besetzter Länder. Belgien und Holland waren die Hauptgeschädigten. Ohne Berücksichtigung blieb das „nichtmonetäre Gold“, also Privatpersonen geraubte Barren und Schmuck – das Zahngold nicht zu vergessen, das den toten (teils den noch lebenden) jüdischen Menschen in Konzentrationslagern herausgebrochen und anschließend von der staatlichen preußischen Schmelze in Münzen und Barren umgewandelt wurde.

Hier liegt auch das politische, mehr noch das moralische Problem der Konferenz. Die Tripartite-Comission verwaltet immer noch 5,5 Tonnen Nazigold. Sie schlägt vor, den heutigen Gegenwert in US-Dollar nicht an die berechtigten Regierungen zu verteilen, sondern sie den Überlebenden des Völkermords an den Juden zukommen zu lassen. Bislang allerdings haben sich nur die Niederlande bereit erklärt, den Erlös aus den 1,2 Tonnen Gold, der ihnen zustünde, jüdischen Organisationen in Holland zukommen zu lassen.

Wie schwer die Kategorisierung von Raubgold aufrechterhalten werden kann, die den Beratungen der Londoner Konferenz zugrunde liegt, beweist ein Artikel in der New York Times vom Montag. Danach haben die USA noch in den frühen 50er Jahren geraubtes Gold zu 40 Barren umgeschmolzen und an die berechtigten Länder weitergegeben. Bei diesem Gold aber handelte es sich nicht um Bestände der Zentralbanken, sondern um Schmuck und Münzen der Opfer des Völkermords.

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