Neuer Sponsor für die Seelerkratie

HSV: Fan-Vertreter im Aufsichtsrat, der Verein auf dem Weg zur Firma  ■ Von Bernd Müller

Die Selbstkritik nach zwei Jahren „Seelerkratie“kam beim Hamburger SV ziemlich kurz. Vereinschef Uwe Seeler demonstrierte bei der Jahreshauptversammlung am Montag abend im CCH Kampfeswillen: „Das beste Konzept ist, Geld zu beschaffen, damit wir so schnell wie möglich wieder nach oben kommen“, nannte das 61jährige Fußball-Idol in seiner Grundsatzrede sein neues, altes, schwer einzulösendes Rezept.

Seelers Ruf nach mehr Geld könnte auch von einem neuen Hauptsponsor erhört werden. Die Holsten-Brauerei erwägt, ab kommender Saison für Trikotwerbung auf den Hemden der HSV-Kicker etwa 5,5 Millionen springen zu lassen. Der Kontakt kommt nicht von ungefähr: HSV-Aufsichtsratschef Udo Bandow sitzt auch im Aufsichtsrat der Brauerei.

Die nur von 619 der insgesamt über 9000 Mitglieder besuchte Versammlung blieb trotz sportlich prekärer Lage, zahlreicher Skandale und der vergebenen Chance, Uefa-Cup-Gewinne nutzbringend in die Mannschaft zu investieren, ohne Mißklang. Die Verantwortungsträger von Aufsichtsrat und Vorstand klopften sich gegenseitig auf die Schulter und ernteten Beifall von ihrem ermattet wirkenden Volk, das jede Selbstzerfleischung vermied.

Nur eine „Kröte“hatten die Funktionäre zu schlucken. Als „erster gewählter Fanvertreter“wurde der 34jährige Christian Reichert in den Aufsichtsrat gewählt. Der Sonderschullehrer setzte sich gegen den Kandidaten des Vorstands, den Groß-Gastronomen Eugen Block, mit 334:231 Stimmen durch. Er wird Nachfolger von Werner Hackmann, der seinen Posten im Kontrollgremium mit dem des Geschäftsführers tauschte. Seeler, der im Vorjahr klare personelle Bedingungen bei der ersten Wahl des Kontrollgremiums gemacht hatte, gab sich galant: „Ich habe keine Probleme damit.“

Zumal „Uns Uwe“und Hackmann Wichtigeres vorhaben. Der Politprofi, der nach Seelers Fehlschlägen mit den falschen Vorstands-Freunden Volker Lange und Jürgen Engel zunehmend das Heft in die Hand nimmt, will dem Klub den Weg zu einer Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft weisen, für die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) voraussichtlich im Herbst 1998 den Grundsatzbeschluß fassen wird. „Wer sich in eine AG umwandeln will, darf das nicht mit der Zielrichtung tun, Kapital aufzunehmen, das in Spieler investiert wird, sondern das Kapital muß in feste Werte investiert werden“, erklärte der ehemalige Hamburger Innensenator. Diskutiert wird daher derzeit auch, ob sich der HSV möglicherweise selbst ein neues Stadion baut. Eine Entscheidung, so Hackmann, müsse im nächsten Sommer fallen.