Das Portrait
: Star der Schweizer Diplomatie

■ Thomas Borer

Soll das Image der Schweiz aufpolieren: Thomas Borer Foto: Reuters

„Ich bin kein Genie. 90 Prozent ist bei mir Transpiration, nur zehn Prozent Inspiration.“ Wer weiß, daß er ein Star ist, kann voller Selbstbewußtsein den Bescheidenen spielen. Der 39jährige Thomas Borer, Chef der „Task Force Vermögenswerte Naziopfer“ im „Eidgenössischen Department für auswärtige Angelegenheiten“ (EDA), jüngster Botschafter seines Landes und Delegationschef bei der gestern in London eröffneten Nazigold- Konferenz, ist ein Star.

Sein mit zwölf Jahren beschlossenes Ziel, Diplomat zu werden, erreichte Borer mit 28. Nach Stationen in Genf, Lagos und Washington beeindruckte er seinen Chef, Außenminister Flavio Cotti, mit Vorschlägen zur Reform des EDA und indem er ihn während der Fußballweltmeisterschaft 1994 in den USA mit Henry Kissinger bekannt machte. Im Oktober 1996 ernannte Cotti Borer zum jüngsten Botschafter der Schweiz und betraute ihn mit der Aufgabe, das wegen der Debatte über Nazigold und „nachrichtenlose Vermögen“ von Holocaust-Opfern angeschlagene Image der Alpenrepublik aufzubessern.

Borer begreift diesen Auftrag in erster Linie als Public- Relation-Herausforderung. Dabei kommt ihm seine zweijährige Erfahrung in Washington zugute. Mit dem US-amerikanischen Way of Life ist der begeisterte Golfer bestens vertraut. Er weiß, wie Politik und die Medien in den USA funktionieren und wie er das Anliegen seines Landes dort am besten verkauft. Selbst schärfste Kritiker der Schweiz, wie Senator Alfonse d'Amato aus New York, zollen Borer inzwischen zumindest professionelle Anerkennung.

Ob noch so ausgefuchste Public-Relations-Arbeit ausreicht, um die Schweiz dauerhaft aus den Negativschlagzeilen zu bringen, ist noch nicht ausgemacht. Denn der am Vorabend der Londoner Konferenz veröffentlichte Bericht einer Schweizer Historikerkommission dürfte die Arbeit für Borer wieder erschweren.

Der Bericht belegt, daß die Bedeutung der Schweiz und ihrer Banken für Nazideutschland viel größer war, als bislang von Bern zugegeben. Prompt folgten neue finanzielle Forderungen des Jüdischen Weltkongresses an die Schweiz. Sollte auch die Forderung nach Neuverhandlung des Washingtoner Abkommens laut werden, könnte es für den Star der Schweizer Diplomatie in Washington sehr ungemütlich werden. Andreas Zumach